TSM verlässt die LCS – Der lange Niedergang von LoL in Nordamerika

TSM war jahrelang wohl die prägendste nordamerikanische Esport-Organisation im League of Legends-Bereich. Auf Twitter gab CEO Reginald nun jedoch den Rücktritt aus der Szene bekannt.

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Während damit für viele eine Ära zu Ende geht, ist ein großer Teil der Community nicht überrascht über diese Entscheidung. Für die amerikanische LoL-Liga scheint es schon seit einiger Zeit nicht mehr so gut zu laufen.

TSM verlässt die LCS

Auch wenn es für viele aus heutiger Sicht vielleicht schwer nachzuvollziehen ist: Nordamerika spielte in der League of Legends-Szene lange Zeit eine prägende Rolle für den Esport-Bereich. Spieler wie Bjergsen, Dyrus oder Doublelift wurden während ihrer Zeit bei Team SoloMid zu absoluten Superstars.





Trotz fehlender besonderer Erfolge, erfreut sich TSM nach wie vor einer großen Fanbase und war lange Zeit Hoffnungsträger für einen Weltmeisterschafts-Titel für die Region NA (Nordamerika).

Des Weiteren gehört TSM zu den Gründungsteams der LCS und begleitet amerikanische LoL-Fans schon seit 2013.

Auf Twitter postete das Team nun eine Ankündigung vom CEO höchstpersönlich. Andy ‘Reginald’ Dinh verkündet in dem Video den Rücktritt von TSM aus der LCS.

Das Team verlässt die amerikanische Liga um in einer anderen Tier-1-Liga anzutreten. Um welche Liga es sich genau handelt, ist bisher noch nicht offiziell bekannt. Der Investigativ-Reporter Jacob Wolf reagierte auf den Original-Post und spekulierte, dass TSM mit großer Wahrscheinlichkeit in die LPL (China) wechseln wird. Ziel sei es, nach mehrfach ausbleibendem Erfolg, endlich eine Weltmeisterschaft zu gewinnen.

Viele Fans wollen dem Team trotzdem treu bleiben, aber immer mehr Mitglieder der Community machen sich Gedanken über die Entwicklung der LoL-Profi-Szene in Nordamerika.

Bereits im April 2023 verkaufte Counter Logic Gaming seinen LCS-Spot und verließ ebenfalls als Gründungsmitglied die Liga.

Viele sehen die Entscheidungen der Teams neben einigen weiteren Entwicklungen als Anzeichen dafür, dass die LoL-Esport-Szene in Amerika sich in einer Abwärtsspirale befindet.

Doch wie schlecht steht es tatsächlich um die LCS?

Stirbt der LoL-Esport in Nordamerika?

Schon seit Monaten wird darüber gesprochen, dass die amerikanische LoL-Liga sich in einer Krise befindet.

Um herauszufinden, wie es um die Zukunft des LoL-Esports in Amerika steht, muss man jedoch einen etwas genaueren Blick auf die Entwicklung der LCS werfen.

Sinkende Zuschauerzahlen

Einer der auffälligsten Punkte ist das augenscheinlich fehlende Interesse an der amerikanischen Liga. Seit 2018 sinken die Zuschauerzahlen kontinuierlich ohne Aussicht auf Verbesserung.

Ex-TSM-Spieler Doublelift äußerte sich in seinem Stream zu der Problematik und erklärte, dass sich diese Entwicklung auch auf die Spieler der LCS-Teams auswirkt:

Doublelift beschreibt in dem Clip eine Abwärtsspirale, bei der sich die sinkenden Zuschauerzahlen auf das Mindset und die Motivation der Spieler auswirken und dies dann dazu führt, dass die Liga an Qualität abnimmt.

Dies führe laut ihm zu einem Teufelskreis der darin enden wird, dass Profi-Spieler nur noch das Nötigste tun und die Liga komplett ihren Glanz verliert.

Fehlendes Fan-Interesse

Die Zuschauerzahlen der LCS sinken natürlich nicht einfach so und auch nicht erst seit ein paar Monaten. Dem Rückgang des Interesses liegen verschiedene Aspekte zugrunde. Ein wichtiger Grund für die zurückgehenden Zuschauerzahlen ist beispielsweise die fehlende Identifikation mit den Spielern der LCS-Teams.

Der YouTuber Gbay99 begründet diese Entwicklung unter anderem damit, dass gerade einmal knapp die Hälfte der Spieler in der LCS aus Nordamerika kommt. Unter den 15 Spielern, die die LCS in 3 Teams bei den Worlds 2022 vertraten, befanden sich gerade mal drei Spieler aus Nordamerika.

Dieser Effekt scheint sich durch die Meinungen der Community zu bestätigen. In einem Reddit-Thread wünschen sich viele Fans die Zeit rund um 2014 zurück.

Teams wie Dignitas oder TSM hatten damals charismatische Roster und für die Spieler war es normal, auch neben der Esport-Karriere eigene Streams zu veranstalten oder ihre Social Media-Kanäle zu pflegen.

Das Gefühl, dass Esportler nur für das Geld bei bestimmten Teams spielen, verdichtet sich bei den Fans und wird hart kritisiert:

Die neuen Roster der Teams bestünden laut User “Gluroo” nur noch aus Spielern, die man nicht kennt und über die man keinerlei Informationen abseits der Performance in Pro-Spielen hat.

Für viele Fans ist dies ein Effekt, den die Einführung des Franchising in 2018 mit sich gebracht hat. Die Organisationen seien zu gewinnorientiert und Spieler hätten laut “classacts99” jegliche Verbindung zu den Zuschauern verloren.

Diese Gewinnorientierung spiegelt sich in utopischen Gehältern und teuren Import-Einkäufen wider und scheint langfristig einen eher negativen Effekt auf die Finanzen der Teams und die Szene im Allgemeinen zu haben.

Utopische Spielergehälter und die platzende Esport-Blase

Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft im Allgemeinen auf eine harte Probe gestellt. Auch die Esport-Branche hat sich nach wie vor nicht vom wirtschaftlichen Abschwung erholt.

Risikokapitalgeber steckten viel Geld in Organisationen und hofften, dass diese ihren Erfolg und ihren Wert deutlich vergrößern, wenn sie nur die finanziellen Mittel dazu hätten. Dies führte zu utopisch hohen Import-Einkäufen und Spielergehältern, um Starspieler für das Team zu gewinnen und auch halten zu können.

Nicht zuletzt ist dies darauf zurückzuführen, dass der Esport-Markt nicht wirklich reguliert ist. Es gibt keinerlei Gewerkschaften oder Tarifverträge, die Obergrenzen definieren. Dementsprechend entscheiden allein die Teambesitzer, wo die Grenze der Teamausgaben liegt, so Billy Studholme.

Dies bedeutet ebenfalls, dass reiche Teams den Markt durch hohe Angebote massiv destabilisieren können und teilweise unrealistische Maßstäbe setzen.

In den Jahren 2020 und 2021 wurden die bisher teuersten Verträge der LCS abgeschlossen. Mit “Jensen”, der für 4,2 Millionen Dollar drei Jahre lang bei Cloud9 unterschrieb und “SwordArt”, der mit 6 Millionen Dollar bei TSM den teuersten Vertrag der LCS-Geschichte abschloss, wurde der Maßstab für ein angemessenes Spielergehalt nochmal neu definiert.

All diese Investitionen können oftmals jedoch nicht den erhofften Gewinn abwerfen. Dies führt dazu, dass sich sowohl Investoren als auch Werbetreibende aus der Branche zurückziehen, da sie einfach nicht mehr als profitabel und beständig genug betrachtet wird.

Daraus folgt dann wiederum eine finanzielle Krise beim Team selbst, da das Geld teilweise nicht mehr reicht, um Spieler und Mitarbeiter angemessen zu bezahlen. Dies kann wiederum zu Entlassungen oder sogar dem Verkauf des eigenen LCS-Spots führen (siehe CLG).

Ohne eine Regulierung der Spielergehälter oder die Entstehung neuer Einnahmequellen wird es schwierig für den Esport, sich von der aktuellen Gehälterinflation zu erholen.

Die LCK einigte sich laut Inven im April auf eine Gehaltsobergrenze, um eben dieser Inflation entgegenzuwirken. Für die LCS ist jedoch bisher noch kein ähnliches Abkommen im Gespräch.

Was für viele Investoren einst wie eine aufstrebende Branche wirkte, scheint sich nun eher als Fehlentscheidung entpuppt zu haben und verliert zunehmend an Attraktivität für Sponsoren.

Das Problem mit dem Nachwuchs

Der Import-Trend bei den Esport-Organisationen wirkt sich unweigerlich auch auf den Nachwuchs aus. Berühmte Talente, die tatsächlich der nordamerikanischen Liga entsprungen sind, sind eher zur Seltenheit geworden. Dies ist zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass die LCS fortlaufend Probleme mit der Nachwuchsliga hat.

Ende 2022 wurden sowohl die Proving Grounds als auch das komplette Academy-System eingestampft und durch die North American Challengers League (NACL) ersetzt.

In der NACL treten zehn gesetzte Teams (die ehemaligen Academy-Teams), sowie sechs “Provisional”-Teams, die sich im Vorfeld qualifizieren können, gegeneinander an. Für die LCS-Teams war es verpflichtend, ein solches NACL-Team zu haben. Der Umschwung im System sollte ursprünglich helfen, Nachwuchstalenten der Region den Einstieg in die LCS zu erleichtern.

Vor circa einer Woche veröffentlichte Riot Games jedoch einen Blog Post, der die Hoffnung in die NACL schnell wieder schwinden ließ. In diesem Post erklärt Riot, dass LCS-Teams ab Sommer 2023 nicht mehr dazu verpflichtet sind, ein NACL-Team zu setzen. 

Kurz nach der Ankündigung haben fast alle Teams ihre NACL-Teams fallen gelassen und sich aus der Liga zurückgezogen.

Die Änderungen der Regel seitens Riot Games sorgte für harsche Kritik seitens der Community und der LCS Players Association.

Die LCSPA kritisiert vor allem erneut, dass Riot Games vermehrt Entscheidungen zu Gunsten der Teambesitzer trifft und nicht bereit sei, sich um den Erhalt eines gesunden Ökosystems zu kümmern.

Während in Europa (LEC) die regionalen Ligen (wie z.B. die deutsche Prime League) florieren und für Nachwuchstalente sorgen, hat die LCS augenscheinlich kein großes Interesse an einer Besserung.

Diese Neuigkeit in Kombination mit dem Leak einer möglichen Änderung der Import-Regel, die es Teams erlauben würde 3 anstatt 2 ausländische Spieler aufzustellen, lassen jegliche Hoffnung auf eine bessere Förderung von Nachwuchstalenten verschwindend klein werden.

VALORANT als neuer Konkurrent

Nicht außer Acht zu lassen ist beim Thema Nachwuchs außerdem die wachsende Konkurrenz durch alternative Esport-Titel in der Szene.

Im Juni 2020 erschien der Tactical-Shooter VALORANT, ebenfalls aus dem Hause Riot Games. Das Spiel gewann schnell an Beliebtheit und gewinnt bis heute fast stetig neue Spieler dazu. Obwohl VALORANT noch sehr jung ist, scheint es bei Esport-Fans extrem gut anzukommen.

Ein möglicher Grund für den schnellen Erfolg des Spiels könnte das große Angebot an Esport-Turnieren sein, die bereits weniger als ein Jahr nach Release des Spiels vorgestellt wurden.

Neben zahlreichen internationalen Turnieren gibt es viele nationale Ligen, wie zum Beispiel die VALORANT Regional Leagues DACH, die jungen Teams und Spielern die Möglichkeit bieten, sich für größere Turniere zu qualifizieren.

Mit den VCT Game Changers schafft Riot sogar erstmals eine Turnierreihe für Frauen und andere diskriminierte Geschlechter. Eine ähnlich nachhaltige Initiative blieb bei League of Legends bisher weitestgehend aus.

Auch wenn geschlechtlich getrennte Esport-Turniere umstritten sind, beweist Riots Engagement für VALORANT, dass der Entwickler daran interessiert ist, viele junge Talente für den Esport zu begeistern.

In einem Interview mit Sportskeeda sagte Profi-Spieler Khalil “Khalil” Schmidt (FURIA) sogar, dass er es anhand der großen Investitionen seitens Riot für möglich hält, dass VALORANT League of Legends in Zukunft überholen könnte:

Wenn ich mir die Investitionen in all diese internationalen Turniere ansehe, die Riot für Valorant durchführt, glaube ich persönlich, dass Valorant noch größer werden kann als League of Legends.

In Nordamerika scheint sich diese Vermutung zum Teil sogar schon zu bewahrheiten.

Laut EsportsHeaven überholten die Viewerzahlen der amerikanischen VALORANT Liga im Jahr 2022 die der LCS. Vergleicht man die Historie der beiden Spiele miteinander sind dies ziemlich schlechte Nachrichten für die League of Legends-Szene.

Ein weiterer Faktor, der unter LCS-Fans für einen Aufschrei sorgte, war die Veränderung der LCS Broadcast-Zeiten. Während die Spiele der LCS normalerweise samstags und sonntags übertragen wurden, wurde der Zeitplan Ende 2022 komplett überarbeitet.

Die neuen Zeiten (Donnerstag und Freitag ab 12 Uhr mittags) sorgten bei einem Großteil der LoL-Community für Unverständnis, da sowohl Schüler, als auch Berufstätige keinerlei Möglichkeit hätten, die LCS live mitzuverfolgen.

Währen League of Legends auf die Wochentage verschoben wurde, bekam die amerikanische VALORANT-Liga die Sendezeiten am Wochenende. Dies brachte viele Fans schnell zu dem Schluss, Riot hätte den Plan zugunsten von VALORANT geändert.

Auch wenn dieser Gedanke nicht wirklich nachweisbar ist, hatten viele League of Legends-Fans besonders Anfang 2023 das Gefühl, Riot Games interessiere sich nicht sonderlich für die Community oder die Spieler. 

Die LCS-Sendezeiten wurden inzwischen seitens Riot Games angepasst, die Tage Donnerstag und Freitag wurden jedoch beibehalten.

Und was wird nun aus der LCS?

Während Riot Games trotz der negativen Entwicklungen darauf beharrt, dass die LCS nach wie vor die zweit-umsatzstärkste Liga ist, sind die Probleme dennoch nicht zu übersehen.

Mitarbeiter, ehemalige Spieler und Fans sind sich einig: Die LCS braucht Veränderung, damit sie erhalten bleibt. Es ist nicht zu leugnen, dass es auf dem aktuellen Stand mehr als eine Baustelle gibt, die überdacht werden müsste.

Auch wenn es aktuell aus der Sicht vieler NA-Fans alles andere als rosig aussieht – Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Dies würde jedoch zwangsläufig voraussetzen, dass die LCS bereit ist, Gehaltsobergrenzen und Nachwuchsregularien zu überdenken und sich möglicherweise ein Beispiel an der LEC oder LCK nimmt.

Mit dem Ausstieg von TSM verlässt ein weiteres legendäres Esport-Team den nordamerikanischen Bereich und sorgt bei vielen Fans für Enttäuschung.

Dennoch bleibt abzuwarten, ob Riot Games und die LCS vielleicht doch noch die Kurve kriegen und nordamerikanische Fans bald wieder mit Stolz ihre Profi-LoL-Liga verfolgen können.


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Bildquelle: LoL Esports

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