Kommentar zur BlizzCon: Warum Blizzard so dringend abliefern muss

Diablo: Immortal, Blitzchung-Kontroverse, Riot-Offensive: Blizzard Entertainment sieht sich seit geraumer Zeit einer wachsenden Zahl von Brandherden ausgesetzt. Auf der hauseigenen Messe BlizzCon müssen deshalb jetzt große Ankündigungen folgen.

Blizzard gehörte seit Mitte der Neunziger zu den beliebtesten Entwicklerstudios. So gut wie jedes neue Spiel wurde nicht nur zum Kassenschlager, sondern definierte Genres: Starcraft, Warcraft III und World of Warcraft bilden nur einen Auszug von Blizzards Erfolgsgeschichte. (Fast) jedes Spiel wollte so sein wie ein Blizzard-Titel und alle wollten sie spielen.

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Von diesem Glanz ist heutzutage nicht mehr viel übrig. Die meisten Ikonen wie etwa Chris Metzen oder Mike Morhaime haben das Studio verlassen und immer wieder erschüttern Skandale die jüngste Unternehmensgeschichte. Die letzten BlizzCons boten den Fans keine großen Highlights, mit Ausnahme der Ankündigung von World of Warcraft: Classic und Warcraft III: Reforged. Wenn Blizzard wieder Gutmachung betreiben will, müssen in diesem Jahr ein oder mehrere Knaller her. Ansonsten könnte das Studio bald von einer jüngeren, besseren Version von sich selbst als Tausendsassa der Gaming-Industrie abgelöst werden.

Don’t you guys have phones?

Blizzard scheint in den letzten Jahren das Gespür verloren zu haben, was Fans wirklich wollen. Klar, die Firma landet immer noch Hits und ist kommerziell erfolgreich. Dennoch nagt die Hinwendung zu einer immer unerträglich werdenden Gewinnmaximierung an dem Ruf des ehemaligen Branchen-Vorbilds. Der Abstieg ist jedoch nicht über Nacht gekommen.

Besonders deutlich wurde mir dieser Umstand vor drei Jahren. Ich kann mich noch genau an das Gefühl erinnern, als Blizzard 2016 den Necomancer für Diablo 3 auf der BlizzCon präsentierte. Anstatt einer Ankündigung für ein neues Addon oder gar eines neuen Diablos wurden Fans des Hack ‘n‘ Slays mit einem DLC abgespeist. Man kam kaum um das Gefühl herum, dass hier ein im Sterben liegender Titel dafür herhalten sollte, um die Toleranz der Fangemeinde gegenüber Microtransactions auszuloten.

Das war aber erst die Spitze des Eisbergs. Sowohl auf der BlizzCon 2017 als auch 2018 gingen die Fans wieder leer aus. Im Vorjahr trieb es Blizzard gar soweit auf die Spitze und präsentierte statt einem langersehnten vierten Teil der Reihe (oder einem zweiten Addon für Teil drei) einen Mobile-Ableger. Also genau das, was die Fans nicht haben wollten. Man fragte sich zurecht, ob es sich hierbei um einen verfrühten Aprilscherz handelte. Buh-Rufe des Publikums wurden von Blizzard mit einem passiv-aggressiven „Don’t-you-guys-have-phones?“ quittiert.

Blizzards Kniefall vor China

Nun soll Diablo: Immortal vor allem für den chinesischen Markt entwickelt worden sein. Blizzard ist im Reich der Mitte sehr erfolgreich. Vor allem das WarCraft-Franchise erfreut sich dort großer Beliebtheit. Nun war jedoch genau China der Ort, an dem sich jüngst der nächste Skandal im Blizzard-Kosmos abspielen sollte.

Nachdem Chung “Blitzchung” Ng Wai ein Hearthstone-Turnier gewonnen hatte, solidarisierte sich der Profi im Sieger-Interview mit den Protestierenden in Hongkong. Blizzard reagierte mit Aktionismus, indem man dem Sieger das Preisgeld entzog sowie eine saftige Sperre verhängte. Kurze Zeit später ruderte der Entwickler zurück, sagte die Zahlung des Preisgeldes zu und verkürzte die Sperre. Man habe natürlich nicht so gehandelt, um sich dem Regime in China zu beugen. Die Community hatte demgegenüber ihre Zweifel.

Riot startet Spieleoffensive

In der Vergangenheit wurde jedes Spiel, das Blizzard anfasste zu einem Hit. Zwar erfanden die Kalifornier wenige Spielprinzipe, die sie aufgriffen. Allerdings verstand sich das Studio immer darin, Ideen zu perfektionieren und die Spieler zu begeistern.

Diesen Ruf ist Blizzard gerade dabei zu verspielen. Zudem nähert sich ein Konkurrent von hinten, der der Spieleschmiede den Rang ablaufen könnte. League-of-Legends-Entwickler Riot Games hat kürzlich eine ganze Palette von unterschiedlichen Titeln angekündigt. Darunter ein Sammelkartenspiel, ähnlich wie Hearthstone, einen Brawler sowie einen Shooter. Riot scheint damit eine Offensive gestartet zu haben, die besonders auf den eSport abzielt.

Kann Blizzard nur noch Nostalgie?

Wie sieht es in dieser Hinsicht bei Blizzard aus? Die eSport-Szene von Heroes of the Storm wurde im vergangenen Jahr von Blizzard überraschend für tot erklärt, das neuste WoW-Addon Battle for Azeroth kann sich kaum mit Classic messen, StarCraft läuft stabil, aber stagnierend. Das nächste große Ding lässt bereits seit geraumer Zeit auf sich warten.

Dass Blizzard noch auf Fanwünsche reagiert, beweisen die Bemühungen, den Glanz alter Tage in Form von Remakes oder Remasters wiederherzustellen. Aktuell erfreut sich gerade World of WarCraft: Classic großer Beliebtheit und auch Warcraft III: Reforged gehört an die Spitze vieler Wunschlisten der Spieler.

Allerdings beruhen diese Spiele auf Hits, die bereits mindestens 15 Jahre in der Vergangenheit liegen. Zwar hat man mit Overwatch und Hearthstone starke Marken etabliert, allerdings haben diese auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Innovationen lassen bislang auf sich warten.

Es scheint, als ob das aktuelle Blizzard Nostalgie als neues Geschäftsmodell für sich erkannt hat. Das reicht aber nicht, um Spieler auf Dauer bei Laune zu halten. Um den Hype dieser Spiele zu nutzen, müssen neue Generationen von Titeln her, die die Stimmung aufgreifen und weiterentwickeln.

Man steht daher unter Zugzwang wie noch nie: Nachdem das Unternehmen im vergangenen Jahr dermaßen von Skandalen erschüttert wurde, müssen nun große Ankündigungen her. Weniger als ein Diablo 4 oder ein Announcement von ähnlichem Kaliber wäre daher ein weiterer Nagel im Sarg des ehemaligen Industrie-Vorbildes.

Bildquelle: Blizzard Entertainment
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