Kommentar – Esportswashing, ein nötiges Opfer für den Mainstream?

Die Übernahme und Fusion von der ESL/Dreamhack und FACEIT zur Saudi Savvy Group haben die Esports-Community überrascht. Warum dieser Deal schmeichelhaft, aber auch beunruhigend ist, erfahrt ihr hier.

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Willkommen bei den großen Jungs

Eine Millarde Dollar für die ESL und weitere 500 Millionen für FACEIT sind astronomische Summen, diese zeigen aber auch das Potenzial des Esports. Einen neuen Investor zu haben, der bereit ist so viel Geld zu zahlen, ist (unabhängig von seinem bisherigen Hintergrund) ein ermutigendes Zeichen für eine Branche, die gerade stark mit COVID zu kämpfen hat.

Wenn man von der saudi-arabischen Regierung unterstützt wird, fehlt es einem natürlich wohl kaum an Geld. Dennoch sind die gezahlten Beträge erstaunlich, selbst für ein Land, welches die zweitgrößten Öl-Reserven der Welt besitzt.

Aber wie groß sind diese Zahlen wirklich? Nehmen wir ein aktuelles Beispiel für eine “traditionelle” Sportart zum Vergleich. Der Premier League Club Newcastle United wurde von einem Konsortium unter der Leitung des gleichen saudi-arabischen Public Invest Fonds (PIF) übernommen, der nun auch die ESL und FACEIT gekauft hat. Jedoch haben sie im Dezember “nur” rund 300 Millionen Dollar für eine 80%-Beteiligung gezahlt. Das ist ein Bruchteil des Esports-Geschäfts.

 

Vom Sportswashing zum Esportswashing

Offensichtlich leistet ein staatlicher Fonds wie der PIF wohl kaum Wohltätigkeitsarbeit. Warum also so einen großen Teil des Esports aufkaufen? Falls ihr einige größere Sportereignisse in den letzten Jahren verfolgt habt, sollte Sportswashing an dieser Stelle ein vertrauter Begriff sein.

Seien es Sportvereine wie Paris St. Germain, der von Katar gesteuert wird, oder ganze Veranstaltungen wie die bevorstehenden Olympischen Winterspiele 2022 in Peking, China. Der Sport und die dazugehörigen Veranstaltungen sind zu Instrumenten geworden, um die PR aufzufrischen und einen guten Eindruck zu machen.

Zwar gibt es auch immer Stimmen gegen Sportswashing, jedoch tut sich hier nicht viel, solange nicht die Mehrheit der Teilnehmer:innen und Fans das Event ablehnen. Meist passiert einfach gar nichts, weil keine der Parteien auf den Wettkampf, das Preisgeld oder die Unterhaltung verzichten möchte. Das konnte man während der Olympischen Winterspiele 2014 in Russland oder der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gut sehen.

Nun steht der Esport vor einem ähnlichen Dilemma. Die neuen Besitzer haben zwar noch keine signifikanten Änderungen angekündigt, doch alleine ihr Besitz ist genug, um für Unbehagen zu sorgen. Man weiß, dass sein Hobby gerade ausgenutzt wird, um nette Publicity für die Regierung zu produzieren, die eigentlich regelmäßig grundlegende Menschenrechte missachtet. So steht Saudi-Arabien im Ranking der Demokratiematrix der Universität Würzberg auf Platz 173 von 176 und wird als “Harte Autokratie” bezeichnet.

Wird Esport jetzt also den gleichen Weg einschlagen, wie der “traditionelle” Sport und das Geschäft über die Moral stellen?

 

Kann und wird der Esport dagegen ankämpfen?

Esportswashing kam tatsächlich nicht ganz ohne Vorwarnung. Die im vergangenen Jahr angekündigte und dann doch abgesagte NEOM-Partnerschaft mit der LEC und BLAST waren eindeutige Warnsignale für die Zukunft. Damals reichte jedoch die große Empörung der Community und der Fans, um Riot und BLAST die Dinge noch mal überdenken zu lassen.

Aber wird das auch hier funktionieren? Die Öffentlichkeit ist sehr viel ruhiger als damals. Natürlich schränkt dieser direkte Verkauf die Möglichkeiten der Fans ein, einzuschreiten und ihre Unzufriedenheit auszudrücken. Trotzdem ist der Esport nicht ganz ohne Optionen.

Letztlich liegt die komplette Macht im Esport, sowohl im guten als auch im schlechten Sinne, in den Händen der Spieleentwickler des jeweiligen Titels. Theoretisch könnten sie sich dazu entscheiden, keine Turnierlizenzen mehr zu vergeben. Aber solange sich nicht jeder einzelne Entwickler und Publisher dafür entscheidet, die neue ESL FACEIT Group komplett abzuschotten, bleibt das nur eine Fantasie. Und angesichts der Zurückhaltung einiger Entwickler (wie Valve), die komplette Kontrolle zu übernehmen, bleibt es eine weit entfernte Fantasie.

 

Und was jetzt?

Angesichts des Wachstums der Branche ist es kein Wunder, dass Esportswashing tatsächlich betrieben wird. Dennoch schmerzt es, es zu sehen, wenn es dann mal passiert. Was können wir also tun, um dem entgegenzuwirken?

Unglücklicherweise, können wir nicht viel tun. Lediglich Bedenken innerhalb der Community äußern und diese irgendwie an Entwickler und Publisher weiterzugeben, ist die einzige Möglichkeit, sich dem entgegenzusetzen. Ein einfacher Fan kann nur so viel gegen eine Regierung mit mehreren Millionen Dollar tun. Eine Erfahrung, an die sich wohl “traditionelle” Sport-Fans im Laufe der Jahre schon gewöhnt haben und die uns nun scheinbar auch bevorsteht.

Das könnte letztendlich der Preis dafür sein, dass wir Teil der Reise des Esports in die Mainstream-Gesellschaft sind.


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Bildquelle: engin akyurt auf Unsplash/ESL/FACEIT
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