FIFA 23: Wie EA und Twitch-Stars mit Lootboxen unsere Jugend versauen

Immer, wenn ich als kleines Kind mit meinen Eltern im Auto unterwegs war und wir an der Tankstelle anhalten mussten, wurde mir eine kleine verschlossene Papiertüte gekauft, in der Stifte, kleine Blöcke oder Spielsachen waren – eine sogenannte Wundertüte. Dass sich das Jahre später auf die Gamingindustrie ausweitet und uns schadet, war mir damals noch nicht bewusst.

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Einige der erfolgreichsten Games der Spieleindustrie wie FIFA 23 oder Genshin Impact beinhalten inzwischen eine Art Wundertüte, die sogenannten Lootboxen. Man kann sich diese Boxen mit Echtgeld kaufen. Was für die Publisher eine enorme Umsatzquelle ist, ist für alle Spielenden oft eine Gefahr, die man nicht unterschätzen darf.



Da ich selbst sehr viel Zeit mit der FIFA-Reihe verbracht habe, werde ich mich bei meinen Beispielen auf die Lootboxen aus dem Hause EA Sports beschränken. Das Thema hier lässt sich aber auf alle Lootboxen wie zum Beispiel auch in Genshin Impact und Co. übertragen.

Was sind Lootboxen überhaupt?

Lootboxen sind  Packs, Tüten oder andere virtuelle Aufbewahrungsobjekte mit unbekannten Inhalten. Diese kann man sich für Echtgeld kaufen in der Hoffnung, dass sich darin etwas Wertvolles versteckt. Seien wir mal ehrlich: In den meisten Fällen, werden wir dabei enttäuscht und nur selten kommt dabei etwas Gutes raus. Leider ist aber genau dieser Punkt entscheidend.

Wieso sind Lootboxen gefährlich?

Rückblickend konnte man diese Gefahr bereits feststellen, als ich noch der kleine Junge an der Tankstelle war. Am Anfang bekam ich so eine Tüte und sah, was drin ist. Ich freute mich über den Inhalt, mal mehr und mal weniger. Irgendwann wusste ich, dass ich eine Wundertüte bekomme, wenn wir das Auto tanken müssen. Die Freude war groß, weil ich wusste, was mich erwartet, wieder eine Wundertüte. Wenn es mal keine gab, war ich sehr enttäuscht. Der Inhalt selbst war nichts Besonderes und trotzdem freute ich mich immer wieder, wenn ich eine bekommen habe. Und so ähnlich läuft es mit den virtuellen Lootboxen.

So machen uns Lootboxen süchtig

Wie der Kanal How to Be Human richtig erklärt, geht es bei Lootboxen und Glücksspielen irgendwann nicht mehr um das Gewinnen an sich, sondern um die Erwartungshaltung, etwas gewinnen zu können. Zu Beginn freuen wir uns noch über die Walkout-Pack-Animation, danach verbinden wir den Shop mit diesem Gefühl und irgendwann reicht es schon, dass wir einfach das eine Pack öffnen, um Glücksgefühle zu haben, ganz egal was drin ist. Ganz egal ist es dann aber doch nicht. Nur, wenn wir in unregelmäßigen Abständen etwas Gutes bekommen, was den Publishern natürlich auch ganz recht ist, erleben wir den maximalen Hype.

Da wir natürlich möchten, dass der Körper das Glückshormon Dopamin ausschüttet, öffnen wir immer wieder Packs.

Ihr kennt sicherlich das Gefühl, wenn ihr unzählige Packs geöffnet habt und eine Stimme in eurem Kopf sagt:

So viele Packs und nichts war drin. Jetzt muss doch was kommen!

Diesen Satz könnte man genau so auch an einem Roulettetisch im Casino zu hören bekommen, wenn die Kugel fünfmal bei Rot hängenbleibt.

Wenn aber das mehrfache ausführen dieser Packopenings erst das Problem ist, wieso lassen wir das einfach nicht sein? Zu der Frage, wieso überhaupt der Bedarf besteht, Lootboxen zu öffnen, gibt es bisher kaum Studien. Eine Studie aus 2021 startete jedoch eine Umfrage.

Die Motivation, Lootboxen zu kaufen

2021 veröffentlichten James Close & Joanne Lloyd von der University of Plymouth und University of Wolverhampton auf der Seite begamleaware.com ihre Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Lootboxen und Glücksspiel. Hieraus zitierten wir bereits, dass nur fünf Prozent der Spielenden für die Hälfte des Gesamtumsatzes verantwortlich sein sollen.

Lootbox-Konsument:innen aus ganz England wurden zu ihrer Motivation befragt und folgende Erkenntnisse resultierten daraus:

Die meisten Käufer:innen gaben persönliche, gameplay-bedingte oder auch soziale Gründe an.

Zum einen sei es “aufregender” ein starkes Item aus einer Box zu gewinnen, als ein starkes Item aus dem Shop zu erwerben. Dies hängt wiederum mit unserem Belohnungssystem zusammen, das wir weiter oben bereits erläutert haben.

Dieser Punkt wurde uns kürzlich auch von Santiago Vazquez alias FUTCrunch, der auf Tiktok über eine Million Follower:innen hat, bestätigt.

“Ich mag es, wenn ich nur eine Taste drücken muss, um ein Pack zu kaufen und anschließend erscheint der Spieler vor mir.”

Eine weitere Motivation hängt mit dem Gameplay zusammen. Publisher bringen immer wieder neue Items heraus, die man nur in diesen Lootboxen erhalten kann. Besonders schlimm wird es dann, wenn die Publisher die FOMO (Fear of missing out) der Nutzer:innen ausnutzt. Da bestimmte Spezialitems nur für eine bestimmte Zeit verfügbar sind, werden die Lootboxen gekauft, weil man Angst davor hat, etwas zu verpassen.

Wenn man etwas verpasst, kann man zum Beispiel auch nicht mitreden. Das bringt uns auch zur dritten Begründung – der soziale Aspekt.

Auch außerhalb der Gamingwelt wird über diese Aktionen und Items gesprochen. In der aktuellen digitalen Gesellschaft kommen auch noch Influencer ins Spiel, die auf Twitch diese Games spielen und die Packopenings vorleben. Personen aus der Community von Influencer:innen sehen den Packopening-Content auf Youtube, bekommen den Hype mit und steigen selbst ein. Sogar redaktionsintern haben wir hier eine Person, die so mit FIFA angefangen hat.

Die wichtige Rolle von Content Creator:innen

YouTube, Twitch, TikTok und andere Content-Plattformen sind der Fernseher unserer aktuellen digitalen Zeit. Während früher Promis aus dem Kasten die Leute beeinflusst haben, sind es nun Online-Plattformen, live, per VoD oder irgendwelche Storys.

Wir haben weiter oben drei Punkte behandelt, die Befragte in England angegeben haben, wieso sie Lootboxen erwerben. Alle drei Punkte lassen sich auch mit Influencer:innen verknüpfen.

Der “persönliche” Grund, dass es aufregender ist, Packs zu ziehen, als Spieler zu kaufen, wird uns täglich von FUT Crunch, Tisi Schubech, Trymacs, MontanaBlack und und und vorgelebt.

Auf Anfrage bei Trymacs’ Management haben wir folgende Stellungnahme erhalten:

(…)Neu ist nun die Erkenntnis, dass allein das Anschauen der Packopenings bereits zu Entwicklungs-Schäden bei den Zuschauern führen können soll, weshalb dies eine Grenze ist, die er nicht mehr überschreiten möchte.

YouTube ist voll mit Videos von krassen Packopenings mit den krassesten Spielern. So einen Hype möchte man natürlich mitnehmen, denn niemand flippt aus und macht einen Hechtsprung in den eigenen Weihnachtsbaum (siehe letzter Weihnachtsstream bei Castro), wenn eine SBC abgeschlossen wird oder man sich einen Wunschspieler auf dem Transfermarkt holt.

Influencer:innen bestimmen mit ihren Videos und Streams wo es lang geht, welche Spiele und welche Promos relevant sind. Gameplay-bedingte Aktionen werden von Influencer:innen in ihren Videos mit Packopening gepusht und wer am Ende die neusten Items nicht kennt oder gar nicht besitzt ist raus aus der Diskussion. Sie prägen somit das soziale Umfeld.

Egal, ob wir Geld dafür ausgeben müssen oder sie umsonst bekommen: Lootboxen werden von den Publishern vorrangig gezielt eingesetzt, um den Gewinn zu maximieren. In den meisten Fällen steigen wir aber ein, weil wir es bei anderen sehen. Haben wir erstmal regelmäßig Lootboxen geholt, sind wir gefangen in der gefühlten Notwenigkeit dieser Items, ohne die wir im Spiel ja auch nicht auskommen würden.

Und ehe man sich versieht, hängt man stundenlang im Stream einer Person, die nichts anderes tut, als Lootboxen zu öffnen. Ist das noch Gameplay?

Achja! Ein paar meiner Miniblöcke aus der Wundertüte habe ich sogar noch. Immerhin ein Unterschied zwischen Tankstellen-Wundertüte und FIFA-Packs.

Weitere Themen: 

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Bildquelle: EA Sports / futbin.com
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