Der beste LEC-Profi kommt aus Deutschland – Das ist Kaiser

Norman „Kaiser“ Kaiser macht seinem Namen alle Ehre. Der deutsche Supporter von den MAD Lions sitzt derzeit auf dem Thron des wertvollsten Spielers in der League of Legends European Championship (LEC). Im Porträt wird deutlich, dass der 21-Jährige innerhalb kürzester Zeit auf dem höchsten Niveau angekommen ist und nach mehr als nur der europäischen Krone strebt.

Ein Supporter als wertvollster Spieler ist ungewöhnlich. Doch in der LEC ist das Realität: Norman Kaiser ist der MVP des Mid-Splits 2020. Dem LoL-Profi ist es auch zu einem gewissen Teil zu verdanken, dass die MAD Lions an der Tabellenspitze der LEC rangieren. „Hätte mir vorher jemand gesagt, dass wir jetzt 9:2 stehen und G2 nur 5:6, hätte ich das vorher definitiv nicht erwartet“, sagt Kaiser im Gespräch mit esports.com.

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Ich will der beste Supporter sein

Lange ist es her, dass überhaupt einem Unterstützer diese Ehre zuteilwurde. Vor zuletzt sechs Jahren wurde mit Bora “YellOwStaR” Kim von Fnatic ein Supporter als MVP gekürt. Jetzt könnte Kaiser mit den MAD Lions für eine neue Ära in der LEC sorgen. Selbstbewusstsein spricht aus ihm heraus: „Mein persönliches Ziel ist es, der beste und unangefochtene Supporter der LEC zu sein. In den nächsten Jahren will ich zeigen, dass ich noch besser auf hohem Niveau spielen kann als die bisherigen Veteranen.“

Bemerkenswert ist der steile Karriereverlauf des 21-Jährigen aus der Nähe von Stuttgart. Innerhalb von nur zwei Jahren ist Kaiser von einem Rookie bei mousesports zu einem der Leistungsträger in der höchsten europäischen Spielklasse gereift. Dabei hätte es auch ganz anders laufen können.

Nicht drei Jahre später

„Ich hatte mich eigentlich für ein Studium im Wirtschaftsrecht beworben. Doch dann trat das Management von mousesports an mich heran“, erklärt Kaiser. „Die Tryouts verliefen gut für mich und ich wurde gefragt, ob ich bei mouz spielen möchte. Für mich war sofort klar, dass ich mehrere Jahre später noch studieren kann. Aber eine Karriere in League of Legends kann ich nicht drei Jahre später starten.“

Für Kaiser wird mousesports die erste Station auf dem Weg zum derzeit besten deutschen Spieler. „Mit Janik “Jenax” Bartels und Kacper “Inspired” Słoma war das Team extrem stark“, betont der Supporter, der damals unter dem Namen ‚Gistick‘ in der Premier Tour an den Start ging. Die deutsche Turnierserie, die der Vorgänger der Prime League war, gewann Kaiser mit mouz im August 2019 gegen Berlin International Gaming (BIG). Ein erstes Ausrufezeichen für Kaiser, der einen Monat später auch das Halbfinale der EU Masters erreichte.

Holpriger Auftakt bei MAD Lions

Im November 2019 wechselt Kaiser zu den MAD Lions und unterschreibt seinen Profivertrag in der LEC. Seine Familie spricht ihm zudem das Vertrauen aus. „Ich soll das machen, was mich wirklich glücklich macht“, betont Kaiser und fügt hinzu: „Klar waren sie auch besorgt, weil sie nicht genau wussten, was das Profi-Dasein in LoL alles bedeutet. Aber als ich gezeigt habe, was man damit verdienen kann, war das doch schon wieder anders.“ Eine beachtliche Summe verdienen die LEC-Profis. Derzeit beläuft sich das festgelegte Mindestgehalt der Spieler auf 60.000 Euro im Jahr.

Einen holprigen Start mit den MAD Lions erlebt Kaiser trotz aller Vorschusslorbeeren. „Als wir zusammen angefangen haben, waren wir in Kanada und haben Scrims gegen Academy-Teams bestritten. Wir haben fast alles verloren“, erinnert er sich. Der erfahrene Teamkollege Marek „Humanoid“ Brázda ändert das, nimmt Kaiser und die weiteren Rookies an die Hand und formt die Truppe zu einer geschlossenen Einheit.

Für diesen Entwicklungsschritt bedankt sich Kaiser: „Dafür muss ich unseren Coaching Staff und auch Humanoid loben. Sie haben uns auf die Macros eingestellt und zu den Spielern geformt, die wir jetzt sind. Dazu gehört aber auch ein gesunder Hunger, um gewinnen zu wollen.“

Kaiser (rechts im Bild) hat sich mit den MAD Lions dank kontinuierlicher Arbeit zu einem Favoriten der LEC entwickelt.

Ein weiterer Grund zum Erfolg ist der Zusammenhalt des Teams. „Wir besitzen zwar unterschiedliche Persönlichkeiten, sind aber alle gute Freunde. Wenn du deine Teamkameraden eher als Freunde siehst anstatt nur als Arbeitskollegen, fühlt sich alles viel einfacher an“, zeigt sich Kaiser sichtlich erfreut über die positive Entwicklung. „Dadurch haben wir eine gute Moral im Team.“

Erfolgsrezept: Schlaues Vorhersehen statt schneller Reaktion

Mit dem spielerischen Talent hat sich Kaiser bei den MAD Lions zu einem Spitzenspieler Europas entwickelt. Für ihn ist das strategische Denken das höchste Gut: „League of Legends ist für mich ein Spiel, in dem man viel Voraussehen muss – vor allem auf hohem Niveau. Natürlich gehört auch schnelle Reaktionszeit dazu, das ist aber auf dem Niveau sehr ähnlich hoch. Für mich gilt es, eher schlau als schnell zu sein. Sobald man den Gegner besser einschätzen kann, wird es ungemein einfacher.“

Konstante Leistungen bringt Kaiser aufgrund seines geregelten Alltags und einer klaren Linie der Organisation. Früh ab 9 Uhr geht es in die erste Solo-Queue-Runde, ehe es gegen Mittag in das Büro der MAD Lions geht. Die erste Besprechung folgt, taktische Änderungen nach Patches werden durchgegangen und Champions zum Üben gewählt. Von Nachmittag bis 18 Uhr wird in Scrims trainiert – mit gleichmäßigen Pausen und kurzen Analysen zwischen den Matches.

Einer der zuletzt häufigen Siege wird gefeiert: Das Duo Kaiser und Carzzy (r.) klatscht mit den Zuschauern in den LEC-Studios ab.

„Mindestens zweimal pro Woche geht es zusätzlich ins Gym für jeden Spieler, das ist Pflicht“, fügt Kaiser hinzu. „Auf Bewegung außerhalb des Spiels sowie gesunde Ernährung wird ebenfalls viel Wert gelegt.“ Je nach Tag variiert die tägliche Arbeit für ihn und sein Team: „Donnerstags gibt es das Draft-Meeting vor dem Matchday am Freitag. Dort werden Informationen ausgetauscht, beispielsweise was spielt Wunder im Solo oder was wird auf der Bot-Lane gemacht. An anderen Tagen schauen wir uns mehrere Matches von chinesischen LPL-Teams an.“

Routine an jedem Tag

Ab 19 Uhr wird der Arbeitstag mit dem gemeinsamen Abendessen und Small Talk abgerundet. Soweit die klare Linie. „Das ist eine unserer Philosophien: Wir haben Gewohnheiten, denen wir jeden Tag nachgehen. Das sorgt für Gleichheit und Konstanz“, sagt Kaiser in überzeugtem Ton – auch während der Zeit der Pandemie, „Insgesamt hat das Umfeld um uns herum sehr gute Arbeit geleistet. Ich habe tatsächlich fast keine Änderung im Alltag bemerkt.“

Der deutsche MVP ist ein weiterer Beweis: Teams können auf Rookies setzen. Die MAD Lions sind das beste Beispiel, denn neben Kaiser gehören auch der Tscheche Matyáš “Carzzy” Orság und der Italiener Zhiqiang “Shad0w” Zhao dem Team an. Beide waren ebenfalls zuvor in Deutschland für mousesports und BIG aktiv. Neben den Löwen setzen unter anderem auch Schalke 04, Excel Esports und Team Vitality auf mehrere Rookies, die beachtliche Leistungen zeigen.

Altes mousesports-Ich chancenlos

Bei Kaiser und Co. läuft es bestens dank der professionellen Arbeit. „Wir können froh sein, dass uns der Coaching Staff das Spiel richtig beigebracht hat. Sonst wäre die Entwicklung eines Rookies deutlich schwieriger. Ohne dieses Umfeld würde ich nicht so gut sein, wie ich es jetzt bin“, sagt Kaiser und weiß auch, dass er einen deutlichen Sprung gemacht hat.

Mittlerweile hat der deutsche Supporter eine deutlich bessere Spiel-Übersicht. „Obwohl ich schon zu meiner Zeit bei mousesports als spielstark eingeschätzt wurde, ist der Vergleich von damals zu jetzt ein enormer Unterschied. Wenn ich jetzt gegen mich selbst bei mousesports spielen würde, gewinne ich zehn von zehn Matches“, schätzt Kaiser sich selbst ein. „Was meine Coaches mit mir angestellt haben, macht einfach einen riesigen Unterschied. Vor allem auf der Macro-Ebene habe ich große Sprünge gemacht.“

Kaisers Geheimnis: Supporter oder doch heimlicher AD-Carry?

Eine der größten Stärken der MAD Lions liegt derzeit im großen Champion-Pool und dem Zusammenspiel zwischen Kaiser und Carzzy, die sich beide abwechseln und den Gegner überraschen können. „Es ist natürlich nicht direkt ein Wechsel des Supporters mit dem AD-Carry“, erklärt Kaiser das Teamplay der beiden auf der Bot-Lane und seinem Gebrauch von offensiven Tanks, den sogenannten Bruisern.

Mit speziellen Champions haben Kaiser und Carzzy die Konkurrenz teilweise überrollt. „Wir sind sehr geübt mit Champions wie Wukong. Das kommt uns im Draft sehr oft zugute“, so Kaiser. „Auf Kalista haben wir fast eine hundertprozentige Win Rate – und wenn der Gegner Kalista bannt, haben wir Senna und Wukong. Das ist unglaublich gut für unser Spiel. Es war zwar viel Arbeit, um auf unseren jetzigen Stand zu kommen. Aber das war es auf jeden Fall wert.“

Worlds-Halbfinale ist das Ziel

Vier Plätze für die Worlds werden im laufenden LEC Summer Split 2020 vergeben und die MAD Lions gehören mittlerweile zu den klaren Favoriten auf eine dieser Positionen. „Mit dem Team will ich das Halbfinale der Worlds erreichen“, zeigt sich Kaiser überzeugt, dass die Qualifikation zur Weltmeisterschaft gelingt. „Es kommt natürlich auf die Gruppe an. Aber wir haben selbst schon analysiert, dass manche Teams aus der LCK und LPL für uns auf jeden Fall schlagbar sind. Gerade im Best-of-One sind einige Upsets möglich. Und wenn wir die Playoffs erreichen, trennt uns nur ein Best-of-Five von den Semifinals. Ich bin davon überzeugt, dass es realistisch für uns ist, solange wir weiterhin unsere Leistung abrufen.“

Trotz starker Leistungen in der LEC und Chancen auf die Worlds weiß Kaiser allerdings auch, dass der Fokus bewahrt bleiben muss. „Wir nehmen in dieser Hinsicht den Rat der Coaches an: Spiele für den nächsten Tag“, so Kaiser. „Es ist wichtig, dass wir nicht vom Boden abheben. Denn das kann gefährlich sein, wie man auch im Spring Split sehen konnte. Wir hatten G2 in den Playoffs mit 3:2 geschlagen und dann kann man schnell übereifrig werden.“ Der LEC-Titel wird deswegen trotz Tabellenführung noch nicht als klares Ziel ausgegeben. Dennoch zeigte Kaiser im vergangenen Spring Split bereits seine Klasse mit den Lions und hat mittlerweile erneut G2 Esports geschlagen.

Ein wenig träumen darf Kaiser bereits von der größten Bühne in League of Legends. „Gedanken macht man sich vereinzelt schon. Gegen chinesische oder koreanische Topspieler anzutreten, ist eine schöne Vorstellung“, so der deutsche MVP. „Trotzdem konzentriere ich mich immer auf das nächste Match, so wie jetzt gegen Fnatic am Freitag, dann gegen SK Gaming. Das ist meine Philosophie und auch meine Strategie.“ Bislang geht die Strategie auf, die Playoffs in der LEC rücken immer näher und somit die Chance für Kaiser, den nächsten Schritt Richtung Worlds zu wagen.

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Bildquelle: Riot Games
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