An der Strafraumgrenze – Ist FIFA Ultimate Team wie Online-Casino?

Diskussionen um Videospiele wie FIFA gibt es zuhauf. Ausgerechnet CDU-Chef Friedrich Merz und sein CSU-Kollege Alexander Dobrindt interessieren sich seit neustem für Gaming. In einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung hinterfragten die Politiker kürzlich im Namen ihrer Fraktion die Games-Politik der Ampel-Regierung.

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Politiker diskutieren über Lootboxen in Games

Kaum ein Thema bekam dabei so viel Gewicht wie Punkt 23: Dieser enthält sieben Fragen zu Lootboxen in Games und E-Sport. Unter anderem wollen Merz und Dobrindt wissen: „Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Regulierung mit Blick auf Glücksspiel und wenn ja, in welcher Form?“

Mit ihrer Anfrage greifen Merz und Dobrindt eine Frage auf, die seit dem Release von FIFA 23 wieder heftig in der Community diskutiert wird: Sind FIFA-Packs eine Form von Glücksspiel? Juristen sind sich in vielen Punkten uneinig. Wissenschaftler hingegen warnen vor einem enormen Suchtpotenzial.

Video: Fünf Fakten über EA



Was sagt das Gesetz zu Lootboxen und FIFA-Packs?

In Deutschland legt der Glücksspielstaatsvertrag fest, was Glücksspiel ist und was nicht. Entscheidend sind dabei drei Faktoren:

  • für den Erwerb einer Gewinnchance wird ein Entgelt verlangt
  • die Entscheidung über den Gewinn hängt dabei ganz oder überwiegend vom Zufall ab
  • der Gewinn muss real sein, also von echtem monetären Wert

Anders als in Belgien, wo Lootboxen seit 2018 verboten sind, gibt es kein Urteil in Deutschland, das Lootboxen und somit FIFA-Packs unter diese Definition stellt. Doch betrachten wir die einzelnen Punkte genau, stellen wir schnell fest: so eindeutig ist der Sachverhalt nicht.

FIFA-Packs: Wirklich kein Glücksspiel?

Der wohl größte Streitpunkt um FIFA-Packs dreht sich um die Frage, ob die Gewinne aus Lootboxen einen echten Wert darstellen. Der Medienanwalt Christian Solmecke befasste sich zum Release von FIFA 22 mit der Thematik und äußerte in einem Video, für ihn bewegten sich Lootboxen in einer „rechtlichen Grauzone“.

Manche Juristen würden argumentieren, Gewinne aus Lootboxen seien nicht real. Andere würden widersprechen und auf Drittplattformen verweisen, auf denen man In-Game-Inhalte gegen Geld verkaufen kann. Dann hätte auch ein Ronaldo in FIFA einen echten monetären Wert, so Solmecke in dem Video.

Weiterhin argumentieren viele Juristen laut Solmecke, FIFA-Packs seien kein Glücksspiel, weil zum Wort „Gewinnchance“ immer auch ein Verlust dazugehöre. Da man bei Lootboxen für sein Geld aber immer etwas bekäme, das lediglich im Wert variiere, habe man nie einen Totalverlust. Diese Argumentation ist laut Solmecke jedoch umstritten. Er fügt an, für ihn persönlich sei das Ziehen eines „Durchschnittskickers“ im Vergleich zu einem Ronaldo ein Totalverlust.

Doch nicht nur Juristen debattieren über die Parallelen von FIFA-Packs und Glücksspiel. Auch Wissenschaftler untersuchen das Thema seit Jahren und kommen zu einem drastischen Urteil.

Lootboxen als „kritische Entwicklung“ im Bereich Spielsucht

Im Exklusiv-Interview sprach esports.com im August mit dem Psychologen Kai Müller von der Ambulanz für Spielsucht an der Uniklinik Mainz. Müller bezeichnet Lootboxen als eine „ganz kritische Entwicklung der letzten Jahre“ und eine Spielkomponente, die süchtig mache. Das sei vor allem für Betroffene von Computerspielsucht eine große Gefahr.

Müller berichtet, dass immer mehr Patienten an der Uniklinik Mainz neben ihrer Computerspielsucht mit finanzieller Überschuldung zu kämpfen hätten. „Früher gab es das gar nicht, heute ist es schon fast die Regel“, sagt Müller. Zurückzuführen sei das auf den exzessiven Kauf von In-Game-Inhalten. Lootboxen hätten dabei eine „besondere Wucht“, so Müller.

Auch andere Wissenschaftler:innen dokumentieren die negativen Seiten von Lootboxen. Mehrere Studien zeigen eine Verbindung zwischen dem vermehrten Kauf von Lootboxen und problematischem Glücksspielverhalten. Eine britische Studie aus dem Jahr 2021 kommt zu dem Ergebnis: „Entwickler scheinen bewusst oder unbewusst von gefährdeten Personen zu profitieren.“

Was sagt EA zu der Thematik?

Wie EA selbst zum Glücksspielvorwurf und den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Lootboxen steht, wollten wir gerne vom Unternehmen wissen. Unsere Anfrage blieb jedoch unbeantwortet.

In der Vergangenheit distanzierte sich der Entwickler jedoch vehement vom Glücksspielvorwurf bei FIFA-Packs. Unter anderem argumentierte das Unternehmen immer wieder, dass ein Großteil der Packs über das Gameplay und die In-Game-Währung erworben würde, statt mit Echtgeld. Nichtsdestotrotz setzte EA im Rechnungsjahr 2021 etwa 1,6 Milliarden US-Dollar mit dem Verkauf von Zusatzinhalten in Ultimate Team um.

Gegenüber dem Branchenmagazin „GamesIndustry.biz“ sagte der damalige EA-Vize-Präsident Daryl Holt im Jahr 2018, dass FIFA kein Glücksspiel sei. „Du weißt genau, was du bekommst. Wir legen die Pack-Chancen offen, damit du weißt, was in einem Pack auftauchen könnte, es gibt keinen realen Währungswert für irgendeinen der Assets“, sagte Holt dem Magazin damals.

Außerdem präsentierte EA in der Vergangenheit Neuerungen, die den Glücksspielfaktor senken sollen. Gerne verweist man hier auf die „Vorschaupacks“, die man in FIFA 21 einführte. Dabei können Spieler vor dem Öffnen den Inhalt eines Packs sehen und entscheiden, ob sie diesen annehmen. Sollten die angebotenen Spieler nicht gefallen, muss allerdings 24 Stunden auf das nächste Pack gewartet werden.

Medienanwalt Solmecke sagt in seinem Video, EA habe damit die Glücksspielthematik zwar „extrem entschärft“. Gleichzeitig fügt er aber an: „Ob die damit schon raus sind aus der ganzen Nummer, kann ich nicht sagen.“ Lootbox-Kritiker betonen immer wieder, dass über das Vorschaupack hinaus schließlich weiterhin exzessiv Packs gekauft und gezogen werden können.

FIFA in Deutschland bald ab 18? Wohl kaum.

Die Diskussion rund um FIFA-Packs und ihre Nähe zum Glücksspiel wird in den kommenden Monaten ein neues Kapitel aufschlagen. Das liegt an einer Änderung im Jugendschutzgesetz, die bereits im Mai 2021 in Kraft trat. Danach sollen Risiken durch „glücksspielähnliche Mechanismen“ mit in die Altersbewertung von Spielen einfließen. Die dafür zuständige „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK) arbeitet derzeit an neuen Prüfregeln, die die Gesetzesänderung berücksichtigen sollen und nach eigenen Angaben voraussichtlich ab Januar 2023 gelten werden.

Dass jedoch eine Altersbeschränkung für den FIFA-Nachfolger EA Sports FC dabei herausspringt, gilt als unwahrscheinlich. Dass diese neuen Regeln eine Altersbeschränkung für den FIFA-Nachfolger EA Sports FC bedeuten, scheint aber unwahrscheinlich. In seiner Bewertung von FIFA 23 kam die USK zu dem Urteil, in FIFA gebe es keine Gewöhnung an Glücksspiel. FIFA-Packs seien „optisch und technisch deutlich erkennbar von realem Glücksspiel distanziert.“

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Bild: EA Sports / futbin.com / Pixabay – Montage

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