Zur Computerspielabhängigkeit

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Computerspielabhängigkeit als Krankheit, welche Behandlung benötigt, anerkannt. Diese Nachricht machte Schlagzeilen und die Kommentare dazu waren kontrovers. Worum geht es hier eigentlich?

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Es ist offiziell

Die WHO ist eine spezialisierte Organisation der Vereinten Nationen (UN) und eine einflussreiche Autorität in Gesundheitsfragen. In die 11. Revision ihrer Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme (ICD-11) wurde die sogenannte Computerspielabhängigkeit nun aufgenommen.

Die Kontroverse

Jedes Mal, wenn solche Dinge geschehen, geben die Leute oft vorschnell Kommentare ab. Sowohl die traditionellen, als auch die enthusiastischen Medien schreiben ihre Meinungen, welche oft vorurteilsbehaftet und schlecht informiert sind oder denen es der richtige Kontext fehlt. Und auch hier ist es nicht anders.

Sind Videospiele also dafür verantwortlich, dass Kinder sterben und Leben ruiniert werden oder gibt es so etwas wie eine Abhängigkeit gar nicht?

Man kann sicher sagen, dass beide Statements aufgeblasen und eher extrem sind. Lasst uns an das Ganze mit einem bodenständigeren Ansatz herangehen und das Alt-gegen-Neu vorerst ignorieren.

Videospiele sind ein beliebtes Hobby und eine massive Industrie steht dahinter. Sie sind aus modernen Häusern und Wohnungen nicht wegzudenken und Kinder halten sie für selbstverständlich, wie viele Studien aufzeigen. Jedoch wird die große Anzahl der Gamer weltweit immer noch von den Menschen übertroffen, die sich nicht mit dem Phänomen auseinandergesetzt haben und diesem nur aus Prinzip entgegenstehen.

Wir haben alle die Gruselgeschichten von MMO Süchtigen gehört, die ihre Kinder vernachlässigen und sich selbst zu Tode hungern, während sie tagelang ohne Pause durchspielen. Diese Beispiele sind jedoch so selten, sodass wir sie aus der Liste der Bedrohungen für die Gesellschaft ausschließen können.

Was ist nun also Computerspielabhängigkeit?

Schauen wir uns an, was die WHO selbst zum Thema sagt und wie sie die Computerspielabhängigkeit definiert:

‘Was ist Computerspielabhängigkeit?

Die Computerspielabhängigkeit wird in der 11. Revision der Internationalen Klassifikation für Krankheiten (ICD-11) als Muster eines anhaltenden oder wiederkehrenden Gamingverhaltens (‘digitales Gaming’ oder ‘Videospiele’) charakterisiert, welches gleichzeitig einer beeinträchtigten Kontrolle von Häufigkeit, Intensität und Dauer unterliegt, sowie der Fortsetzung des Spiels trotz des Auftretens von negativen Folgen.

Gleichzeitig muss das Verhalten in persönlichen, familiären, sozialen, erzieherischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen zu erheblichen Beeinträchtigungen über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten führen.’  

Dies sieht nach einer rationalen und praktischen Herangehensweise an das Problem aus. Eine Computerspielabhängigkeit verursacht selten unwiderruflichen Schaden am Patienten. Jedoch beeinträchtigt sie die täglichen Aktivitäten und andere wichtige Funktionsbereiche. Dies ist etwas, was man über jede Abhängigkeit sagen kann. Computerspielabhängigkeit tritt jedoch selten auf. Ali M. Mattu, Professor für Psychologie und Psychiatrie bei der Columbia Universitätsklinik für Angst- und verwandte Störungen, beschreibt seine professionelle Meinung zu diesem Thema:

‘Der Hauptteil der Menschen, die Videospiele spielen, werden nicht abhängig, genauso wie die meisten Menschen die Alkohol trinken, kein Alkoholproblem entwickeln.’

Um als Abhängiger diagnostiziert zu werden, muss ein Spieler einen erheblichen Verlust von Selbstkontrolle aufweisen, sowie Probleme im persönlichen und im sozialen Bereich in den letzten 12 Monaten gehabt haben. Ja, die Leidenschaft für euer Lieblingsspiel ist nicht krankhaft, es ist eher wie ein Film- oder Serienmarathon.

Der Zweck der Einbindung der neuen Krankheit in die Liste ist es, dass die Opfer tatsächlich Hilfe bekommen. Diese Anerkennung ist wichtig, da Gesundheitsorganisationen und Vertreter der Regierungen nun beginnen können, Programme und Budgets auszuarbeiten, sodass die dringend benötigte Hilfe auch für bei den betroffenen Menschen ankommt. Und das ist gut!

Aber es kann doch nicht normal sein, den ganzen Tag zu spielen, oder?

Falsch. Wenn ein professioneller Musiker den ganzen Tag auf seinem Instrument übt, dann wird dies als ‘Gabe’ oder als Talent bezeichnet. Wenn ein professioneller Athlet jeden Tag auf dem Trainingsplatz seine Runden dreht, dann ist das harte Arbeit oder Leidenschaft. Wenn ein Pro Gamer seine Fähigkeiten trainiert, dann ist er ein Computerspielabhängiger. Ihr seht hier selbst den Widerspruch dieser Denkweise.

Die meisten professionellen Gamer sorgen dafür, dass sie in physischer Topverfassung sind, um ihrem Gegner in einer Nervenschlacht voraus zu sein. Eine gesunde Ernährung, mentale Stabilität und freundschaftliche Teamdynamiken sind die obersten Prioritäten in jedem respektablen eSports Team. Ironischerweise sind die Spieler oft gesünder als die Menschen, von denen sie kritisiert werden.

Dies trifft jedoch leider nicht für alle Gamer auf der Welt zu. Diejenigen, die die Kontrolle verlieren und mit dem Kopf voran in den Kaninchenbau springen vernachlässigen bestenfalls ihre Hygiene und Ernährung für ein paar Tage und ruinieren sich im schlechtesten Fall ihr gesamtes Leben. Dies sind diejenigen, die professionelle Hilfe benötigen.

Dank den Bemühungen der WHO ist dies nun ohne das übliche Stigma möglich. Oder wenigstens mit einer geringeren Stigmatisierung. Und wiederum: Das ist gut.

Wir Gamer haben nun einen weiteren Schutzschirm erhalten. Wir wollen nur hoffen, dass keiner von uns ihn jemals brauchen wird.

Bleibt gesund und fröhliches Spielen!

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