“Such dir eine Tür zum Öffnen und schon haben alle gewonnen” – Interview mit Maxi Gräff

Die Videospielcommunity besteht aus endlos vielen Spieler:innen – mit verschiedenen Hintergründen, Bedürfnissen und Besonderheiten. Wir haben mit Maxi Gräff über das Thema Diversität und Inklusion gesprochen. Wie gestaltet Xbox die Produkte und Spiele so, dass alle Gamer Teil der Community sein können? Welche Herausforderungen gibt es dabei? Und was hat es mit den “Türen” auf sich?

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Maxi Gräff ist bereits seit zwölf Jahren in der Gamesbranche tätig. Seit sechs Jahren arbeitet sie als Marketingkommunikations- und Social-Lead für Xbox DACH und Microsoft Deutschland.

Video: 5 Fakten über Xbox

 

esports.com Was genau versteht ihr bei Microsoft / Xbox unter Diversität und Inklusion?

Maxi Gräff: Es gibt unterschiedliche Arbeitsstränge, z.B. den Diversity und Inclusion Report. Der wird jedes Jahr veröffentlicht und richtet sich darauf, wie die Struktur innerhalb der Firma ist – wie viele Frauen sind angestellt, wie viel Black and African American Employees, Hispanic und Latinx Employees, Asian Employees und so weiter. Da wird nach Zahlen geschaut, wie viel das gestiegen ist. Je diverser deine Firma aufgestellt ist, desto mehr kannst du die unterschiedlichen Perspektiven einbringen.

Dann gibt es noch systemische und produktinklusive Diversität. Wir haben uns intern das Framework Gaming for Everyone gesetzt, das sich nach „Doorways“ eingliedert, also Türen. Und die Türen können geöffnet werden.

Da wird geschaut, wie können Produkte und Prozesse nach vier unterschiedlichen Säulen gestaltet werden. Approachability: Wie kannst du ein Spiel möglichst zugänglich kreieren? Representation: Damit sich jede:r identifizieren kann. Accessibility: Also Barrierefreiheit. Globalisation: Global denken, aber lokal relevant sein. Das fängt an mit der Lokalisierung von Spielen, also in welchen Sprachen sie verfügbar sind, bis hin zu Werbungen auf verschiedene Gebiete zuschneiden. Man kann nicht sagen, dass man eine globale Marke ist, wenn man nur an die US-Zielgruppe denkt.

Es können nicht alle Türen auf einmal geöffnet werden, man muss sich klare Ziele setzen, welche Tür geöffnet werden kann. Das gilt in allen Bereich, Marketing, PR, in den Studios oder Customer Service.

Kannst du Beispiele nennen für Alltagsdiskriminierung im Gaming, die anderen Spieler:innen vielleicht nicht sofort auffallen?

Die gibt es wie Sand am Meer, deswegen erzähle ich aus meiner Perspektive. Wir gendern beispielsweise bei Microsoft und ich als Frau finde das großartig, ich fühle mich auf einmal angesprochen. Aber bei jedem Post kommt ein negativer Kommentar dazu. Bei den meisten ist das gar nicht mit diesem Hass-Hintergrund gemeint, sondern einfach ein Nicht-Verstehen. Ein Nicht-Hineinversetzen in andere Leute – das ist der Ursprung von Alltagsdiskriminierung, wenn jemand nicht zuhört und es nur aus einer Perspektive beurteilt wird. Daraus resultieren dann auch die bekannten Kommentare wie „Du könntest doch mal lächeln“. Nein, das ist halt mein normales Gesicht. Das sind nur Kleinigkeiten, aber das schwappt in viele Bereiche rüber. Oft denkt man dann, man kann ja nichts mehr machen, ohne was falsch zu machen. Aber du kannst nichts falsch machen, wenn du Fragen stellst, zuhörst und lernst.

Auch nach über 10 Jahre Berufserfahrung wird meine Expertise im Gaming oft noch hinterfragt oder es wird sich auf mein Aussehen fokussiert Das hört leider nicht auf, obwohl ich denke, nach zwölf Jahren müsste ich sie mir doch mal so langsam erarbeitet haben (lacht).

Kannst du mehr über das Microsoft Inclusive Technologies Lab erzählen?

Das ist ein Ort in Seattle, den man besuchen und dort verschieden Dinge ausprobieren kann. Jede:r kann das Lab besuchen, als Privatperson, es gibt Schulgruppen, Gäste und so weiter. Dann kann man die Accessibility-Features in Spielen testen oder auch den Adaptive Controller. Ich habe Rocket League nur mit meinen Beinen gespielt – und das ging so gut! Das öffnet die Augen. Das soll Designer:innen und Ingeneur:innen dazu inspirieren, direkt schon bei der Planung an Inklusion zu denken.

Gibt es weitere Beispiele, wie Xbox konkret Inklusion fordert?

Wir haben unterschiedliche Ansätze. Wir haben auch Trainings und Schulungen. Ich gebe zum Beispiel Allyship-Workshops, in denen ich unterschiedlichen Microsoft-Mitarbeiter:innen beibringe, wie man besser in Allyship wird. Für Xbox machen wir auch viel mit der Hardware, zum Beispiel den Adaptive Controller. Der kann für alle Menschen mit ihren individuellen Behinderungen ein Setup erschaffen, mit dem sie spielen können. Alle Eingabeknöpfe sind per Klinkenstecker hinten aufgereiht. Dann können Accessories wie Buttons oder ein Joystick angeschlossen und nach dem individuellen Bedarf angepasst werden – also mit diesem Knopf springen oder den Joystick nur mit dem linken Arm steuern. Der Controller kann an PC und bei Xbox-Konsolen angeschlossen werden.

Auf welches Projekt bist du persönlich besonders stolz?

Im März war der globale internationale Frauentag. Ich habe lange mit der Werbeagentur Serviceplan an einem “Woman in Gaming”-Controller entwickelt. Der B-Button wurde ausgetauscht mit dem Ist-gleich-Zeichen, dem internationalen Symbol für Equality. Innen haben wir ein Soundmodul eingebaut. Da kommen dann verschiedene Stimmen von Frauen in der Gaming-Branche wie Bonnie Ross, sie leitet das 343 Studio hinter Halo. Oder eine Streamerin aus dem Mittleren Osten, die die größte Streamerin ist, die ein Hijab trägt. Oder die Silver Snipers aus Schweden, die über 60 Jahre sind und CS:GO spielen.

Das Ziel des Controllers:  Falls dich ein negativer Kommentar runterzieht, ist der Controller und die Messages darauf eine Erinnerung an die guten Seiten in der Community. Du bist nicht allein und es gibt viele, die dich supporten.

Was sind die größten Hürden für Entwicklerstudios und Publisher bei diesem Thema?

Das meiste was ich lokal gehört habe: Wir haben nicht das Geld, die Ressourcen oder die Zeit dafür. Das ist die größte Hürde im Kopf. Wenn man von Anfang an inkludiert, dann grenzt man nicht unabsichtlich aus – und damit kann man schon viel erreichen. Wenn man in der Planung der Spiele schon überlegt, wie die Farbe und Schriftart aussehen oder ob die Schrift schwer lesbar ist – das erfordert keine Extraarbeit, sondern einfach nur ein anderes Mindset.

Eine weitere Hürde ist es, unterschiedliche Perspektiven zu inkludieren und ja, das kostet Zeit. Es gibt den wichtigen Spruch „Nothing about us without us“. Wenn man bei seinen Produkten beispielsweise die LGBTQIA+-Communitys zum Pride Month miteinbezieht, dann bezieht sie halt auch wirklich mit ein. Entwickelt nicht etwas mit dem Gedanken „Ich glaube, ich mache das schon richtig“, sondern fragt diese Communitys. Lasst es sie testen, bindet sie mit ein. Erst dann erhältst du Feedback, mit dem du vorher nie gerechnet hättest.

Du darfst dir Zeit lassen, du musst nicht alles auf einmal machen. Such dir eine Tür zum Öffnen und schon haben alle gewonnen.

Mit dem Blick auf die Zukunft: Welche Themen müssen als nächstes angegangen werden und hat Xbox bereits neue Projekte geplant?

Es hört sich zwar so an, als ob viel passiert. Ich denke aber, dass wir immer noch im Kindergartenstatus sind, was Inklusion betrifft. Es ist noch so viel zu tun. Es gibt beispielsweise nicht viele Optionen zum Spielen für Menschen mit Sehbehinderung. Im Marketing gibt es auch ein Thema, an dem ich schon länger arbeite. Wenn ich ein Spiel suche und nicht weiß, ob ich das überhaupt spielen kann, weil es z.B nicht meine Audiofeatures unterstützt. Wie finde ich das heraus? Wir hatten bei Gears 5 eine Übersicht mit allen Accessibility-Features inkludiert. Aber das ist ja aufwändig, wer sucht schon danach? Unser Ziel ist es, diese Informationen beim normalen Shopping-Weg zu integrieren, über Amazon, in unserem Store, bei Media Markt etc. Es gibt so viele Türen, die noch geschlossen sind und das ist ein Beispiel für eine nächste Tür.

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Welche weiteren coole Projekte kennt ihr für Inklusion im Gaming? Schreibt es uns auf Social Media oder Discord!
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Bildquelle: Maxi Gräff
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