Schalkes Esport-Chef Tim Reichert: „Das war eine turbulente Zeit“

Tim Reichert lenkt seit Mai 2016 die Geschicke beim FC Schalke 04 Esports. Der Chief Gaming Officer sprach im Exklusivgespräch mit esports.com über den turbulenten Spring Split in der LEC, die Herausforderungen während der Corona-Pandemie und Erwartungen an den Summer Split.

Wer League of Legends auf höchstem Niveau spielt, ist mit permanentem Druck und emotionalen Herausforderungen konfrontiert. Der LEC Spring Split 2020 war aus Schalker Sicht eine Achterbahn der Gefühle. Nach einem katastrophalen Start mit sieben Niederlagen war die Stimmung bei den Königsblauen am Tiefpunkt. „Das war eine turbulente Zeit“, sagt Tim Reichert. „Die Preseason war gut. Entsprechend hätten wir nie damit gerechnet, so unglücklich in den Spring Split zu starten.“

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Die Negativserie wirkte sich natürlich auch auf die Spieler und das Umfeld aus: „Wenn man mit sieben Niederlagen in die Saison startet, ist das eine enorme psychische Belastung. Eine Abwärtsspirale, denn mit dem ausbleibenden Erfolg wird es von Woche zu Woche schwieriger, aus eigener Kraft die Trendwende herbeizuführen. Wir hatten das Gefühl, eingreifen und die Mannschaft unterstützen zu müssen“, erklärt Tim Reichert.

Weil der sportliche Erfolg von Schalke 04 ausblieb, handelten die Verantwortlichen. Der Jungler Erberk “Gilius” Demir wurde ausgewechselt, für ihn rückte das Talent Lukas “Lurox” Thoma nach. „Wir haben uns zunächst dafür entschieden, Lurox aus unserem Academy-Team in der LEC einzusetzen. Er hatte bereits in der Prime League auf sich aufmerksam gemacht und sich diese Chance verdient“, begründet Tim Reichert den personellen Schritt.

Obwohl sich Lurox direkt positiv in das LEC-Roster einfügte, sollte ein weiterer Eingriff erfolgen. Denn Schalke und der ehemalige Starspieler Konstantinos-Napoleon “FORG1VEN” Tzortziou fanden nicht wie erhofft zu einem Erfolgsrezept. “Wir planen nicht mit dem Spieler. Er wird nicht mehr für uns spielen”, sagt Tim Reichert.

Somit erhielt Nihat “Innaxe” Aliev, der ebenfalls im Academy-Team von S04 spielte, die große Chance. „Wir haben gesehen, dass die Umstellung unserem Spiel gut getan hat. Mit ‚Innaxe‘ haben wir anschließend ein weiteres Talent in unser LEC-Roster aufgenommen“, so der Chief Gaming Officer.

Sensationssieg gegen G2 Esports hat den Knoten gelöst

Mit den Spielern aus dem Academy-Team kam der Erfolg zurück. Der erste Sieg gelang ausgerechnet gegen Titelverteidiger G2 Esports – ein wahnsinnig emotionaler wie sensationeller Moment für Schalke 04. „Man konnte den Spielern ansehen, was dieser Sieg für sie bedeutet hat. Das war der ersehnte Erfolg, der den Knoten gelöst hat“, resümiert Tim Reichert.  Die Talente aus der Prime League wie Lurox und Innaxe haben sich in der LEC bewiesen. Das Konzept von Schalke 04 geht auf und fängt den Horrorstart mit einem positiven Umschwung auf.

Tim Reichert lobt die derzeitige Bereitwilligkeit der Spieler und sieht viel Positives mit den neu geschürten Verantwortungen. „Mit Spielern wie Lurox und Innaxe haben wir zwei Talente aus unserem Nachwuchs in die LEC geholt. Das ist der Weg, den Schalke im Esport gehen möchte – und den der Verein mit der Knappenschmiede seit vielen Jahren bereits erfolgreich im Fußball verfolgt. Deswegen bin ich guter Dinge für den kommenden Summer Split.“

Die Playoffs in der LEC verpasste Schalke nach dem katastrophalen Start zwar, doch die Auftritte in der Rückrunde mit Innaxe und Lurox, die zu sechs Siegen führten, können die verantwortlichen bei den Knappen positiv stimmen.

Alternativen für den Summer Split

Schalke 04 benötigt weiterhin Stabilität und fokussiert sich weiter auf die Akteure der Prime League. „Der Esport muss auch wirtschaftlich sinnvoll sein“, so Reichert. „Wir setzen verstärkt auf die Förderung und Entwicklung junger Talente und haben in den vergangenen Monaten viel Arbeit in das Scouting des Academy-Teams investiert. Unser Ziel war und ist es, den Leistungsunterschied zwischen Academy- und LEC-Team so weit wie möglich zu verringern. Die Spieler in unserer Academy verfügen über viel Qualität. Das haben die vergangenen Monate eindrucksvoll gezeigt. ‚Sertuss‘ ist ein weiteres Beispiel dafür: Wir halten sehr große Stücke auf ihn und sehen ihn in Zukunft entsprechend auch als Option für die LEC.“

Schalke 04 Evolution hat die erste Saison der neu geschaffenen Prime League, der höchsten deutschsprachigen Spielklasse in League of Legends, gewonnen. Ein idealer Wettbewerb für Reichert, um die Talentschmiede umzusetzen. „Was Riot Games geschafft hat, ist das absolute Nonplusultra“, schwärmt der 40-Jährige. „Dieser nationale Wettbewerb hat große Relevanz. Außer in League of Legends gibt es keinen anderen Titel, der ein so großes Fundament für die Zukunft legt.“ Solche Vorgehensweisen würde sich Reichert unter anderem gerne bei FIFA-Entwickler EA wünschen. Derzeit pausieren die Esport-Wettbewerbe der Fußballsimulation komplett.

Furcht vor Internetproblemen und Einschränkungen während Corona-Pandemie

Derzeit hat Schalke sogar gute Chancen auf den Sieg bei den EU Masters, dem größten europäischen Wettbewerb nach der LEC. „Wir gehören sicherlich zum Kreis der Favoriten“, so Schalkes Esport-Boss. „Den Druck will ich auch nicht nehmen, dass wir zu den stärksten Teams des Wettbewerbs gehören.“ Der größte Konkurrent auf den Titel für ihn ist derweil GamersOrigin. Am 1. Mai entscheidet sich, ob sich Schalke 04 Evolution über die Gruppe C für die Play-offs des Turniers qualifiziert.

Einen wunden Punkt im Plan des Teams gibt es derzeit, der für Kopfzerbrechen sorgen könnte. „Wir kennen es in Deutschland, dass plötzliche Internetprobleme oder Schwankungen auftreten können. Die Spieler sind aufgrund der Corona-Pandemie derweil zu Hause und wir haben keinen Einfluss auf Störungen“, sagt Reichert. „Wenn mitten im Match die Verbindung unterbrochen wird, wäre das eine automatische Niederlage. Wir können nur die Daumen drücken, dass es nicht dazu kommt.“

Positive Gedanken im Alltag gehören bei den Königsblauen zur Tugend, auch in diesen Zeiten. Trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie geht die Arbeit beim FC Schalke 04 Esports größtenteils ungehindert weiter. “Man kann nie wissen, was in den nächsten Wochen und Monaten passiert”, so Tim Reichert. Doch mit Spekulationen brauche man sich nicht beschäftigen, der sportliche Fokus zähle derzeit.

Profi-Fußballer Nassim Boujellab ist ein großes Talent an der Konsole

Neben League of Legends ist Schalke 04 Esports auch für die FIFA-Abteilung bekannt, die unter anderem in der Virtual Bundesliga vertreten ist. Die #BundesligaHomeChallenge bringt aktuell den Fußball-Fans ein wenig Freude während der Zeit ohne Bundesliga. Auch Schalke 04 hat dabei Aufmerksamkeit erregt. „Das war ein sehr spannendes Thema. Klar wird auf klassischen Fußball sehnsüchtig gewartet, doch für den FIFA-Esport gab es so nochmals einen Schub. Vor allem Nassim Boujellab hat gezeigt, was er kann. Er ist wirklich richtig gut und kann sein Talent auch auf den virtuellen Fußball übertragen”, freut sich Tim Reichert über die Highlights des Fußballers.

Valorant ist kein Thema für Schalke

Ein anderes Spiel, das zuletzt für zahlreiche Schlagzeilen und eindrucksvolle Zuschauerzahlen auf der Streaming-Plattform Twitch sorgte, ist Valorant von Riot Games. Doch obwohl die Zusammenarbeit mit Riot Games gelobt wird, schließt Tim Reichert ein Engagement von Schalke in dem Taktik-Shooter aus: „Relativ klar nein lautet die Antwort. Ich glaube zwar, dass es ein gutes Spiel ist. Ich habe aber Zweifel, dass es Counter-Strike ablösen wird. Außerdem verfolgen wir die klare Linie, keine Shooter aufzunehmen.“

Das Kerngeschäft bei Schalke 04 Esports fokussiert sich dementsprechend auf die Fußballsimulationen FIFA und Pro Evolution Soccer sowie auf das MOBA League of Legends. Mit akribischer Arbeit wollen die Königsblauen auch in Zukunft in diesen Titeln oben mitspielen.

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Bildquelle: FC Schalke 04 Esports
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