Der Teufelskreis der Prime League – Diese Probleme hat die deutsche LoL-Szene

Die deutsche LoL-Szene ist gemeinsam mit der Prime League in den letzten Monaten mehr in den Vordergrund gerückt. Die Zuschauer:innen-Zahlen sind angestiegen und es findet sich nicht nur mehr Content von und zu den Teams, sondern auch mehr Identifikation. Dennoch sind einige innerhalb der Szene noch nicht ganz zufrieden.

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Woran liegt das? Welche Probleme gibt es in der Szene und in der Prime League? Und wie lassen sich diese lösen?

Wir haben mit drei Experten der Branche gesprochen: Christian Lenz, Chief Gaming Officer bei BIG und nun Teil der Esports Player Foundation, Jan Dominicus, Chief Business Development Officer bei Mouz, und einen Leiter eines Division 1-Teams, der anonym bleiben möchte.

Auch Freaks 4U Gaming, dem Veranstalter der Prime League, haben wir einige Fragen gestellt. Darauf haben wir allerdings bis jetzt keine Antwort erhalten. (Update: Eine Antwort findet ihr jetzt hier.)





Das Sponsoring-Problem

Dass der Esport seine Einnahmen hauptsächlich aus Sponsoring zieht, ist kein Geheimnis. So kamen beispielsweise in 2021 von den 104 Millionen Euro Umsatz, die der Esport erzielte, 51 Millionen nur von Sponsoren. Genauso ist es nicht verwunderlich, dass der Markt sich gerade verändert. Preise werden teurer und auch viele Unternehmen müssen sich überlegen, wo sie Geld einsparen können.

Dabei entsteht bei manchen Teams nun die Angst, dass Firmen ihre Sponsoring-Ausgaben kürzen möchten. Schließlich wäre es gut möglich, dass eher die Gelder für den Esport verringert werden, als die, die beispielsweise noch im Fußball genutzt werden. Schließlich wird Esport immer noch eher als unsicheres Investment angesehen, gerade im Vergleich zu traditionellen Sportarten, die schon lange bestehen.

Entscheiden sich einige Unternehmen für einen solchen Schritt, könnte dies schwere Folgen für den deutschen Esport an sich, die Ligen und die Teams haben. Wenn sich die größte Einnahmequelle von heute auf morgen halbiert, könnten das wohl nur die Wenigsten überleben. Insbesondere da viele Teams gar keinen Gewinn erzeugen.

Laut Christian Lenz können sich schätzungsweise gerade mal vier Teams der Prime League refinanzieren. Unsere anonyme Quelle geht davon aus, dass dies dazu führen würde, dass mindestens zwei Teams die erste Division in Zukunft verlassen müssten.

Insgesamt sei es allerdings schwierig mit der Haupteinnahmequelle Sponsoring in der Prime League weit zu kommen. So erklärt Lenz, dass die Liga selbst sehr viele Partner (im Stream aus 2022 konnten wir neun entdecken) besitzt, man aber nur drei auf den Trikots aufgrund von Kamerawinkeln zeigen kann. Die Platzierung der Sponsoren der Teams blieb ihnen also selbst überlassen. Dies scheint sich jedoch geändert zu haben und gerade im neuen Split sind nun etwa vier oder fünf zusehen.

Sich so zu finanzieren kann gerade für Organisationen, die nur ein LoL-Team besitzen, schwierig sein. “So viel können die Partner eigentlich kaum zahlen, dass sie das gegenfinanziert bekommen”, erklärt der anonyme Leiter.

Jan Dominicus sieht das Ganze allerdings weniger kritisch. Schließlich beträfe das Sponsoring-Problem alle Bereiche und nicht nur die Esport-Szene. Er kann sich aber vorstellen, dass die Spielergehälter zukünftig darunter leiden könnten.

Von den Einnahmen durch die Partner der Liga oder den Übertragungen, profitieren die Teams nicht. Seit Neuestem gibt es allerdings eine Einmalige Antrittsprämie von 15.000 Euro für alle Div 1-Teams pro Saison. Dieser Wert ist laut vielen allerdings so klein, dass es keinen Unterschied machen würde, da ein Team circa 500.000 bis 600.000 Euro kostet, laut unserer anonymen Quelle.

Insgesamt sehen dies einige, darunter auch unsere anonyme Quelle, aber als unfair an, denn ohne die Teams, würde die Liga ja nicht existieren. Wenn zum Beispiel Eintracht Spandau sich dazu entscheiden würde, doch lieber ein VALORANT-Team anstatt eines LoL-Teams zu stellen, wäre das ein riesiges Problem für die Prime League, beschreibt er.

Das Content- und Identifikationsproblem

Durch den Einstieg von Eintracht Spandau ist ein regelrechter Umschwung in der Prime League entstanden. So hat Spandau regelmäßig guten Content für ihre Fans produziert und sie so auch an sich gebunden.

Dass der Influencer HandOfBlood hier natürlich auch für sehr positive Effekte gesorgt hat, ist natürlich klar. Dennoch haben sich auch die anderen Teams inspirieren lassen oder ihren Content ausgebaut.

Doch wurde dabei auch deutlich, wie viel hier noch getan werden muss und wie viel Potenzial noch darin steckt.

So beschreibt Jan, dass es “eine extrem große Diskrepanz gibt zwischen drei Teams die unglaublich viel machen, einer Gruppe an Teams die ein bisschen was macht und einer Gruppe an Teams die praktisch gar nichts macht.”

So gibt es beispielsweise Teams, die über den klassischen “Heute ist Spieltag”-Post nicht hinausgehen, da sie wohl das Gefühl haben, dass die Prime League offenbar sowieso zu wenig schauen oder sich niemand für die Posts interessieren würde.

Allerdings ist guter Content mehr als nur nötig um Fans zu halten, aber auch die Liga selbst attraktiv zu machen. Auch Jan sieht sich in der Pflicht, mit Mouz mehr zu bieten.

Dabei gibt es noch einige Teams, die bisher noch wenig von sich gezeigt haben. Von diesen erwartet Christian Lenz viel mehr.

BIG selbst hat gemeinsam mit Eintracht Spandau hochwertigen Content erstellt, der bei den Fans sehr gut ankam. Er wolle Storylines, Behind the Scenes und Weiteres sehen, denn was bringe einem ein tolles Team, wenn man es nicht auch präsentiere? Das Ganze sei ja kein Hexenwerk, so Lenz.

Die Prime League selbst sieht er aber auch in der Verantwortung. BIG und Eintracht Spandau haben nämlich den Content für das erste Derby komplett eigenständig produziert und bezahlt.

Der Erfolg war groß und die Liga profitierte mit hohen Zuschauer:innen-Zahlen. Daraufhin erwartete Lenz, dass die Verantwortlichen der Prime League in der Rückrunde mit ihnen gemeinsam arbeiten würden, damit sie nicht erneut die kompletten Kosten tragen müssten. Dazu kam es allerdings nie und die beiden Teams waren erneut auf sich allein gestellt.

Dadurch werden wichtige Chancen verpasst, die Erfolgsgaranten werden nicht genutzt. Dabei sei mit dem Showmatch der Dreamhack erneut deutlich geworden, dass man die Leute so begeistern könne, erklärt Lenz. Er hat zudem eine Art Battle of Berlin vorgeschlagen, um erneut für Aufmerksamkeit zu sorgen. Allerdings werden solche Vorschläge immer wieder abgelehnt, erzählt er.

Jan Dominicus sieht das ähnlich, denn auch er befürwortet, dass die Teams von der Liga etwas zurückerhalten sollten, falls der Content gut funktioniert. In seiner Vorstellung gehen die Teams für die Prime League in Vorleistung, um Inhalte zu produzieren, die dem ganzen System helfen. Im Anschluss möchte er dafür allerdings auch am Erfolg der Liga partizipieren.

Dabei seien alle Organisationen dazu verpflichtet, Content zu produzieren. Denn wer laut Jan das Geld für solche Dinge nicht aufbringen könne, müsse sich überlegen, ob die interne Verteilung des Budgets nicht fehlerhaft sei. Content gehöre nun mal zu einem Team dazu.

Auch unsere anonyme Quelle möchte mehr Content und Identifikation schaffen – fragt sich aber auch, warum dieser teilweise nicht angenommen wird. So gibt es beispielsweise Teams wie Unicorns of Love oder EWI, die sich in diesem Bereich Mühe geben, allerdings wenig Klicks generieren.

Generell ist es für ihn noch ein Rätsel, warum die Prime League im Vergleich zu Frankreich oder Spanien noch so wenig Zuschauende hat, obwohl Deutschland im Esport in Europa am größten ist.

Ein Teufelskreis aufgrund von Geld

Wenn man sich die bisher genannten Punkte ansieht, ist es keine Überraschung, dass diese sich im Grunde um Geld drehen.

Während dieser Faktor in allen Branchen wichtig ist, scheint es in der Prime League sowohl eine Folge als auch eine Ursache für andere Probleme zu sein. Denn wer natürlich kein Geld hat, kann auch keinen Content produzieren, um die Zuschauer:innen-Zahlen zu erhöhen oder um für Sponsoren attraktiv zu sein.

Und ohne Sponsoren oder Zuschauende gibt es kein Geld. Somit entsteht ein Teufelskreis.

Genauer betrachtet, ist das Preisgeld und die Antrittsprämie vielen Teams einfach zu niedrig. Das Preisgeld des Wintercups wurde zudem reduziert, damit das Geld für Content-Produktionen ausgeschüttet werden kann. Ob von der Prime League oder durch Riot Games, ist nicht bekannt. Dieses Content-Geld allerdings lohnenswert einzufordern, gestaltete sich offenbar als schwierig.

Laut Lenz hätte man den Anteil nicht in ein einziges Projekt stecken können, sondern “du musstest mehrere kleinere machen. Das heißt, die hat dir vorgeschrieben, wie es laufen soll. […] Wenn du ein cooles Fünfminuten- oder Dreiminuten-Video machen willst, dann brauchst du trotzdem die Manpower, das Equipment und das refinanziert sich nicht mit 1.250 Euro”, so Christian Lenz.

Gerade einmal zwei Teams sollen davon profitiert haben. Was mit dem Rest des Geldes passiert ist, wurde wohl nicht kommuniziert. Auf Nachfrage bei Freaks 4U, ob diese Aussagen zutreffen, erhielten wir bisher leider noch keine Antwort.

Die Lösung

Eine Lösung für diese Probleme zu finden, ist sowohl einfach als auch schwierig. Denn alleine wird niemand etwas bewirken können. Gemeinsam ist dies aber möglich.

Im Grunde würden beide Seiten von mehr Content und Identifikation nur profitieren. Die Teams hätten mehr Fans und die Liga mehr Zuschauer:innen. Doch warum kommt es dann nicht dazu, dass hier mehr entsteht? Kommunikation und Geld scheinen das Problem zu sein.

So sagen alle Parteien, dass das Ökosystem der Prime League sich zwar verbessert hat, aber weiter ausgebaut werden muss, um das komplette Potenzial zu nutzen. Alle sind sich einig, dass die Prime League ein erfolgsversprechendes Produkt ist, es aber noch nicht ausgereift genug ist, um sicher sagen zu können, dass die Zukunft besser wird.

Die Teams benötigen von der Prime League Unterstützung, um Content anbieten zu können – sollten aber auch dafür sorgen, dass alle Teams dies tun. Denn wenn sich weiterhin nur ein paar wenige Organisationen engagieren, wird es langfristig kein Wachstum in der Szene geben.

Dafür wird selbstverständlich auch Geld benötigt, welches durch bessere Zusammenarbeit eventuell gedeckt werden könnte. Denn ohne Content, kein Interesse – und ohne Interesse, keine Zuschauer:innen, also keine Einnahmen. Der Teufelskreis muss unterbrochen werden!

Jan Dominicus hat zudem das Problem des Sponsorings erkannt und denkt, dass es generell gefährlich ist, dass die Prime League zu wenige verschiedene Einnahmequellen hat. Denn wenn die größte Quelle wegfällt, sollte man sich trotzdem noch finanzieren können, was genau das Problem aus dem ersten Punkt des Artikels aufgreift.

Welche weiteren Einnahmemöglichkeiten infrage kommen könnten, muss sich die Prime League allerdings selbst überlegen.

Alles in allem scheinen die Beteiligten mit der jetzigen Situation nicht zufrieden zu sein. Doch eigentlich haben alle das gleich Ziel: Die Prime League zu vergrößern!

Um dieses zu erreichen, ist es jetzt an der Zeit, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und Unstimmigkeiten beiseite zu legen.

Und das am besten so schnell wie möglich.


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Bildquelle: Prime League

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