Lasst uns Tennisbälle auf Leute werfen

Gegen die eSports protestierende Fußballfans haben in der letzten Woche die Schlagzeilen bestimmt. Lasst uns einmal deren Positionen auf Stichhaltigkeit überprüfen.

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Ihr habt von der Geschichte wahrscheinlich gehört. Ein Fußballspiel zwischen den Young Boys Bern und dem FC Basel in der Schweizer Fußballliga musste unterbrochen werden, da Fans Tennisbälle und Playstation Controller, als Protest gegen die eSports, aufs Spielfeld warfen. Die Schiedsrichter waren dazu gezwungen, das Spiel zu unterbrechen, damit der Platz wieder bespielt werden konnte. Das Spiel endete mit einem 7-1 Sieg für die Young Boys.

Worum ging es überhaupt?

Unsere Nachforschungen waren erfolgreich und wir wissen nun, was sich der wütende Mob dachte. Sie protestierten gegen das Wachstum der eSports und dem Zusammenwaches der traditionellen Fußballwelt und der professionellen FIFA Szene. Laut den Fans, stehen die eSports gegen die Kernwerte des Sports, welche als Leidenschaft, Konstanz und vor allem Freundschaft, genannt werden.

Diese Aktion war sehr dumm und zeigt ein komplettes Unverständnis gegenüber der eSports Szene und wahrscheinlich auch gegenüber der Szene der traditionellen Sportarten.

Es gibt unzählige Sichtweisen, aus denen dieses Problem gesehen werden kann. Der Autor dieses Artikels möchte sich hier auf die von den Ultras der Young Boys Bern genannten Punkte konzentrieren, um seine Argumente anzuführen: Konstante Leistungen, Leidenschaft und Freundschaft.

Die Welt der eSports ist umfangreich, schön und glorreich und ebenso unerbittlich, kompromisslos und erdrückend. Selbst die Leute, die sich nur kurz mit dem kompetitiven Gaming beschäftigt haben, haben wohl eine Menge an Geschichten über Erfolge und Misserfolge gehört und vielleicht sogar den Aufstieg und Fall von Champions miterlebt.

London Spitfire hat die erste Saison der Overwatch League gewonnen, sich aber auch in drei Phasen der Saison nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Dies führte zur Entlassung wichtiger Teammitglieder und auf Kosten der Gesundheit von Star Spieler Ji-hyeok “birdring” Kim. Der Druck, der auf dem Team lastete, sorgte sicher für teilweise schlechte Leistungen. Und wie haben sie darauf reagiert? Sie haben sich zusammengerissen und all ihre mentalen und physischen Fähigkeiten auf den Punkt gebracht, an sich gearbeitet, unmenschliche Trainingsleistungen erbracht und folgend den wichtigsten Titel der Saison und historisch, den ersten Championtitel der Overwatch League überhaupt gewonnen. Sie erhielten dafür Respekt von allen Seiten aus der professionellen eSports Welt UND auch aus den traditionellen Sportarten, darunter den der WWE.

Sie wurden zu einem Musterbeispiel für aufstrebende Progamer und zu einem außergewöhnlichen Beispiel für das, was entstehen kann, wenn großartige Fähigkeiten, Leidenschaft und harte Arbeit aufeinandertreffen. Und sie wurden dafür zurecht als Helden gefeiert.

Jetzt erklärt den Spielern von Spitfire einmal, dass sie Teamwork, Leidenschaft und Konsistenz nicht wertschätzen, nur, weil sie nicht auf dem Platz einen Ball kicken. Anscheinend dachten eine Menge Leute, dass andere nicht genug über die Werte der traditionellen Sportarten wissen und deshalb versuchten sie diese näherzubringen, indem sie randalierten und sprichwörtliche Steine warfen.

Der Sprecher der gelben Hooligans betonte, dass Freundschaft, einer der Kernwerte im Fußball, nicht in Videospielen präsent ist. Schauen wir uns dies einmal genauer an, indem wir ein Beispiel zitieren, welches Bände sprechen sollte.

Ich werde schnell einmal die Lage für diejenigen umreißen, die sich im kompetitiven Overwatch nicht auskennen. Ein Overwatch Team besteht aus 7-12 Profispielern, die zu den Besten der Welt gehören. Sie widmen ihre Zeit dem Spiel und ihrem Team, verlassen ihre Familien, ihre Schulen, ihre Arbeitsstellen und oft auch das Land oder gar den Kontinent, um mit dem Team zusammenzuleben, täglich zu trainieren, zu essen, atmen und Overwatch zu leben. Die Spieler werden von einem Team aus hochqualifizierten Coaches, Ärzten, Analysten und Geschäftsleuten unterstützt, die sich um alles andere kümmern. Während der Saison spielen sie zwei professionelle Matches pro Woche, was in den traditionellen Sportarten meist nicht so ist. Dazu werden sie in ihrem Leben konstant überwacht, müssen ihre Fans zufrieden stellen und ihr Verhalten wird konstant auf Unbotmäßigkeiten überprüft, die dem Image des Teams, der Organisation oder der Liga schaden könnten. Fast jeder der Spieler ist noch ein Teenager oder in den frühen Zwanzigern. Keine große Sache, oder?

Wenn es dann zum großen Finale geht, könnt ihr darauf wetten, dass nichts anderes wichtiger ist, als dort die beste Leistung zu bringen und die Gegner zu dominieren.

Aber was machen sie wirklich? Sie reißen Witze, geben sich gegenseitig Feedback, hängen zusammen rum und streben danach, miteinander gut auszukommen. Nicht nur im Team, sondern auch mit den gegnerischen Spielern.

Schaut euch diesen Tweet an, der vor dem großen Finale von Spielern aus gegnerischen Teams gepostet wurde, deren Karrieren zu diesem Moment auf dem Spiel standen:

Hmmm ja, sieht wohl so aus, als wüssten sie nicht, was Freundschaft ist. Oder jedenfalls ist es das, was einer dieser ungebildeten Plastikwerfer denkt.

Meine Analyse sollte nun klar sein. Affenartiges Verhalten ist nicht der beste Weg, um eine Nachricht an den Mann zu bringen oder einen konstruktiven Dialog in Gang zu setzen.

Hatte der Protest denn überhaupt einen Wert?

Natürlich. Von dem, was wir erfahren haben, hat sich die Schweizer Liga dazu entschieden, den Teams Vorteile zu gewähren, die auch eSportler ins Feld schicken. Während man dies als einen Schritt in die richtige Richtung und einen cleveren Schritt in eine technologisch fortgeschrittene Gesellschaft sehen kann, ist es ebenso verständlich, dass die Fans der traditionellen Sportarten und deren Bemühungen, die eSports aus dem Sport rauszuhalten, sehr unzufrieden mit dieser Entscheidung sein werden. Und sie haben auch jedes Recht dazu. Falls ihnen EA FIFA und Co. egal sind, brauchen sie sich dies nicht anzuschauen! Wenn ein traditioneller Club darunter leidet, keine EA FIFA Team zu haben, dann ist es legitim, dies anzusprechen. Jedoch sollte dies in einem zivilisierten Dialog und mit konstruktiver Kritik geschehen. Führen solche Proteste dazu? Sicher nicht. Wurde etwas Anderes damit erreicht? Es entzündete eine Diskussion, die die Prominenz der eSports und ihre Verbindung mit dem traditionellen Fußball akzentuierte und die kompetitive Videogaming Szene als präsent und mit echtem Wert und Wichtigkeit validierte.

Und dafür sind wir dankbar. Danke, dass ihr uns wissen lasst, dass eure bevorzugte Kommunikationsmethode mindestens fraglich ist. Dies ist nicht das letzte Mal, dass wir uns treffen.

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