Kommentar: Esports braucht Verbände und keinen Elitismus

Die europäische Esports-Szene hat seit dem vergangenen Freitag einen sportpolitischen Verband. Jedoch war die Reaktion auf die Gründung der Esports Europe Federation  alles andere als positiv – zu Unrecht. Ein Kommentar und gleichzeitiger Aufklärungsversuch.

“Wer ist das?”, war die wohl am meisten gestellte Frage zum Gruppenfoto der Esports Europe Federation (EEF). Abgebildet sind 50 Männer und eine Frau, die meisten von ihnen sind Vertreter verschiedener europäischer Esports-Verbände. Das hätten die Fragesteller mit einem Klick herausfinden können, da internationale Esports-Medien wie The Esports Observer bereits über den Verband und seine Akteure berichteten.

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Das schien allerdings für die meisten Leser schon zu viel Arbeit zu sein. Stattdessen wetterten sie auf Social Media gegen den Verband – darunter auch bekannte Akteure wie Fnatic-Gründer & CEO Sam Mathews. “Yo, du kannst nicht mit 100 Anzugträgern in den Esports kommen und dich wichtig machen. Esports wird von Publishern, Teams und Spielern gestaltet, um die Szene nach vorne zu bringen. Keiner von denen trägt Anzüge. Nein, danke. Achja und wo sind eigentlich die Frauen?“, schrieb Mathews.

complexity-CEO Jason Lake äußerte sich ähnlich: “Esports Europe wird schnell lernen, dass man nicht einfach so in die Szene eindringen und sich wichtig machen kann. Du musst dir das verdienen und das ist definitiv nicht der Weg. Viel Spaß bei euren Wahlen.”

BIG, Na’Vi und ESL dabei

Tatsächlich befinden sich unter den Vertretern von Esports Europe bekannte und wichtige Vertreter der Szene wie Berlin International Gaming (BIG). Die Berliner Organisation ist im Präsidium des eSport-Bund Deutschland e.V., das Gründungsmitglied von Esports Europe ist. Im Präsidium von Esports Europe ist wiederum der CEO von ESforce Holding, dem Unternehmen hinter Virtus.pro, dem Turnierveranstalter Epicenter und des News-Outlets Cybersports. Die ESL ist ebenfalls dabei. Mathews und Lake scheinen das allerdings nicht zu wissen oder es ist ihnen schlicht weg egal.

“Ich kenn dich nicht, du bist nicht wichtig”

Beide spiegeln allerdings sehr gut das wider, was in der Esports-Szene bis heute noch viel zu häufig vorhanden ist: Elitismus. Die Szene ist über die vergangenen Jahre so schnell, vor allem auch auf lokalem Level gewachsen, dass man gar nicht mehr alle kennen kann. Trotzdem herrscht bei vielen Leuten noch immer die Einstellung: “Ich kenn dich nicht, du bist nicht wichtig.” Da kann es egal sein, dass EEF-Präsident Hans Jagnow etliche politische Führungen über Esports-Events organisiert und sogar ein Esports-Visum in Deutschland durchgedrückt hat. Wenn ein CEO aus Nordamerika ihn nicht kennt, ist er anscheinend nicht wichtig.

Kommentare zeugen von Unwissenheit

“Auf dem Bild ist kein einziger Team-Owner oder Publisher zu sehen”, kritisierte Mathews weiter. Ihm schien dabei nicht klar zu sein, dass die Publisher tatsächlich bereits in Europa organisiert sind.

ISFE Esports wurde im August gegründet und beinhaltet neben mehrerer lokaler Verbände auch wichtige Namen wie Clash Royale-Entwickler Supercell, Ubisoft, Riot Games, Twitch, EA, Epic Games und viele weitere. Sie alle setzen sich für bessere Bedingungen in Europa ein. Das könnte ähnlich wie beim Sport eine finanzielle Unterstützung von Großveranstaltungen sein oder gesellschaftliche Aufklärung.

Organisationen wie Natus Vincere und auch BIG sind Mitglieder nationaler Verbände, die zu Esports Europe gehören.

In Deutschland gab es beispielsweise schon den Fall, dass Hallenveranstalter keine “gewaltverherrlichenden” Spiele wie Counter-Strike: Global Offensive oder League of Legends wollten. Für genau solche Fälle sind Verbände letzten Endes zuständig.

Auf Bundesebene klappt das in Deutschland schon sehr gut mit dem ESBD und auch dem game-Verband, der sich für Videospielentwickler und Publisher einsetzt und es geschafft hat, eine Förderung von 250 Millionen Euro für Videospielentwicklung in Deutschland umzusetzen.

Erstmal auf Twitter haten

Da ISFE Esports allerdings ausschließlich aus Publishern bestehen und diese mal mehr, mal weniger gern mit sich reden lassen, hat sich mit Esports Europe eine Gegenbewegung der Teams gegründet. Natürlich hätten die Akteure auf weitere Teams wie eben Fnatic, EXCEL und Co. zugehen müssen. Trotzdem ist das keine Entschuldigung dafür, abwertende Kommentare auf Social Media zu veröffentlichen. Man kann von den Zielen von Esports Europe und deren politischer Agenda halten was man möchte. Doch es scheint, als wären die meisten Leute gar nicht erst soweit kommen – aber erst einmal auf Social Media wettern.

Bildquelle: Esports Europe Federation
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