Im gesellschaftlichen Kreuzfeuer: eSports und die Frage der Gemeinnützigkeit

Der eSport wächst in rasantem Tempo, kämpft aber dennoch um die notwendige Akzeptanz in Deutschland. Trotz mehrerer Annäherungsversuche mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und der Bundesregierung klafft weiterhin eine große Lücke zwischen Wahrnehmung und Anerkennung. Vereine, die eSports fördern wollen, kämpfen um die Gemeinnützigkeit. Ein Meinungsbeitrag.

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Warum Gemeinnützigkeit großen Einfluss auf die Entwicklung des eSports hat

In Deutschland existieren über 90.000 Sportvereine, ein Großteil davon gehört zu den gemeinnützigen Vereinen. Weil diese zum Allgemeinwohl der Gesellschaft beitragen, ohne dabei einen hohen monetären Gewinn zu erzielen, gelten sie als gemeinnützig. Um dieses Merkmal kämpft auch der eSport, der sich im Vereinswesen beweisen und etablieren muss.

Ein anerkannter eSport-Verein würde nicht nur von der Förderung des Staates profitieren. Was noch viel wichtiger ist: Die Stellung in der Gesellschaft wird verstärkt. Projekte könnten landesweit professioneller gefördert werden, ebenso sind Mitgliedsbeiträge und Spenden zur Finanzierung möglich. Aber warum hat eSport genau das gleiche Potential wie der Sport, als gemeinnützig zu gelten?

Ein gutes Beispiel fand sich vor über einem Jahr in Sachsen. Bereits im Januar 2018 wurde mit Leipzig eSport e.V. der erste reine eSport-Verein als gemeinnützig in Deutschland anerkannt. Grund für dieses Prädikat war die unterstützende Jugendarbeit mithilfe des elektronischen Sports. Dies war ein Schritt in die richtige Richtung und zeigt, dass organisierter eSport für die Gesellschaft genauso nützlich sein kann wie der Sport. Dennoch sollte ein eSport-Verein nicht nur aufgrund der nachweislichen Jugendförderung als gemeinnützig eingestuft werden.

eGaming und eSports: DOSB sorgt für Verwirrung in Vereinen

Aufgrund fehlender Hilfe von Politik und dem Deutschen Olympischen Sportbund ist die Gemeinnützigkeit für Vereine mit eSport-Fokus weiterhin ein steiniger Weg. Bedauerlicherweise stößt der eSport beim DOSB nicht auf das nötige Verständnis. Mit der Idee, zwischen eGaming und eSport zu unterscheiden, ist der DOSB auf große Gegenwehr gestoßen. Lediglich Sportsimulationen als eSport zu bezeichnen, wie es für Fußball mit FIFA und im Basketball mit NBA2K der Fall wäre, würde die Szene und den Markt komplett spalten.

Fakt ist: Sportsimulationen wie FIFA machen nicht einmal zehn Prozent der professionellen eSport-Szene aus. Einen deutlich größeren Einfluss im eSport – gemessen an Zuschauerzahlen und Preisgeldern – haben die Spiele League of Legends, Counter-Strike: Global Offensive, Dota 2 und auch der Battle-Royale-Hit Fortnite. Auch der ESBD kritisiert den gewollten Unterschied zwischen eGaming und eSport. “Diese Abgrenzungen sind völlig unsachlich und verwirrend, auch für Vereine und Verbände, die schon im eSport aktiv sind”, sagt ESBD-Präsident Hans Jagnow an und fügt hinzu: “Im DOSB positioniert man sich mit diesem Sonderweg komplett an der gesellschaftlichen Realität vorbei. Diesen Versuch der Spaltung wird die Generation eSport nicht mitmachen.”

Anstelle dem Thema kompromissbereit entgegenzutreten, wird kein gemeinnütziger Aspekt bei den populären eSport-Titeln gesehen. Spiele wie CS:GO, in denen das Eliminieren des Gegners mit Waffen und somit einhergehende Gewalt im Vordergrund steht, seien für den DOSB nicht im Sinne des Sports, ethisch unmoralisch und somit inakzeptabel. Allerdings ist CS:GO ein Fünf-gegen-Fünf Taktik-Shooter, in dem vor allem die Reaktionsfähigkeit und die Zusammenarbeit im Team entscheidend ist. Diese Aspekte sind auch im Sport wichtig und somit vergleichbar. Hierbei wird deutlich, wie verschlossen die Problematik vom DOSB angegangen wird. Dabei stellt sich zugleich die Frage: Was ist Sport und was nicht?

Definition von Sport schließt eSport nicht aus

Der Facettenreichtum des Sports ist nahezu unbegrenzt, weil er keine konkrete Definition besitzt. Deswegen ist es in der heutigen Zeit kaum möglich, eine klare Trennung zwischen Sport und eSport vorzunehmen. Verbunden werden beide Arten von dem Wettbewerbsgedanken zwischen zwei oder mehreren Menschen, sich unter gleichen Bedingungen zu messen. Allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen zum Bewegungsablauf der Spieler.

In den meisten klassischen Sportarten steht die körperlich motorische Aktivität im Vordergrund, wie beispielsweise beim Langstreckenlauf, Fußball oder Tennis. Im eSport hingegen wird für gewöhnlich keine Beinarbeit benötigt. Bewegt werden virtuelle Figuren und Menschen auf dem Bildschirm mithilfe einer PC-Maus oder einem Controller. Vielmehr geht es hier um die Hand-Auge-Koordination sowie Reaktionsfähigkeit und Fingerfertigkeit, ähnlich wie beim Sportschießen – übrigens eine olympische Disziplin seit Ende des 19. Jahrhunderts. Genau wie im Fechten und einigen anderen Sportarten, die olympisch sind, hat das Sportschießen einen martialischen Hintergrund. Dennoch wird Videospielen vorgeworfen, sie seien zu brutal.

eSport-Förderung im Verein ohne horrende Preisgelder

Selbstverständlich ist der eSport in der Spitze gewachsen, mit großen Events und hohen Preisgeldern. Sport im eigentlichen Sinne zielt allerdings nicht darauf ab, dass die Athleten damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Muss es auch gar nicht! Denn die Vereine mit eSport-Ambitionen wollen Amateure fördern und nicht nach dem großen Geld streben. Das wird jedoch von Verbandsvertretern vorgeworfen: Der eSport sei zu sehr kommerzialisiert und nehme bei hohem Leistungsdruck keine Rücksicht auf seine Spieler. Wenn es nur darum gehen würde, wäre Fußball schon längst kein Sport mehr.

Der eSport-Bund Deutschland e.V. (ESBD), der seit November 2017 für den organisierten eSport um Anerkennung und Gemeinnützigkeit kämpft, kritisiert den DOSB zurecht. Sämtliche interessierte Vereine – egal ob bestehende oder neue – sollen die Möglichkeit besitzen, den eSport in ihren Abteilungen aufzunehmen und zum Wohle der Allgemeinheit zu fördern. Diese Jugendbewegung wird nicht aufzuhalten sein, egal ob der DOSB eine Zusage erteilt oder nicht.

Politische Zurückhaltung sorgt für Empörung

Vielmehr stehe die Regierung in der Pflicht, sich dem Thema anzunehmen. Ein positives Zeichen gab es im März 2019 im Bundestag. Denn dort wurde die Arbeitsgruppe “eSports & Gaming” ins Leben gerufen.
Zumindest ist dies ein kleiner Schritt zur Anerkennung des eSports als Sport. Schließlich steht auch die Politik stark in der Kritik – und auch in der Pflicht.

Im Koalitionsvertrag der CDU, CSU und SPD wurde im Jahr 2018 festgehalten, dass “eSport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht” anerkannt wird. Ein halbes Jahr später waren die klaren Befürwortungen nahezu verblasst. “Die Einschränkung auf sportbezogene Spiele umfasst nur einen kleinen Teilbereich des eSports, und schafft Unklarheit über die weitere Zuständigkeit für die überwiegende Mehrheit der eSport-Landschaft in Deutschland”, mahnte Hans Jagnow. “Wenn man hier das Vertrauen der großen und jungen eSport-Bewegung in politische Prozesse nicht verlieren möchte, sollte man zum Arbeitsauftrag der Koalitionsvereinbarung stehen.”

Immerhin ist die Entwicklung im Vereinsbetrieb im Jahr 2019 erkennbar. Denn auch in klassischen Sportvereinen werden vereinzelt eSport-Abteilungen gebildet. Eintracht Frankfurt beispielsweise beginnt im Sommer mit einem eSport-Trainingszentrum für FIFA und League of Legends.

Fest steht: Der eSport und der Sport können sich in Zukunft ergänzen. Die Frage der Gemeinnützigkeit wird sich in Zukunft erübrigen und offiziell für Vereine anerkannt werden. Egal ob der eSport vom DOSB als Sport anerkannt wird, geht er seinen eigenen Weg. Vereine werden sich im Amateurbereich organisieren und strukturieren. Zudem verhandelt der ESBD derzeit mit anderen nationalen Verbänden, einen europäischen eSport-Bund zu gründen. Jetzt liegt es an der Politik, eine klare Einigung zu finden und die vereinbarten Inhalte des Koalitionsvertrags umzusetzen.

 

Bildquelle: Stephanie Lieske/ESL Meisterschaft

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