Gründung der Esports Europe Federation steht unter Beschuss

Die Gründung der Esports Europe Federation soll die Förderung des Esports durch einen zentralen Dachverband vorantreiben. Erster Präsident ist der Deutsche Hans Jagnow vom eSport-Bund Deutschland (ESBD). Doch der Start des neuen europäischen Verbandes ist mit viel Erklärungsbedarf verbunden.

Die Gründung der Esports Europe Foundation am vergangenen Freitag hat zahlreiche Kritiker auf den Plan gerufen. Sowohl an der Besetzung als auch an der Ausrichtung des Verbandes kommt Kritik von Teambesitzern und Szenegrößen. Der frischgewählte Präsident Hans Jagnow antwortet auf die Kritik.

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Der European Esports Federation (EEF) vereint E-Sport-Verbände aus 23 Nationen und versteht sich als Interessenvertreter von 100 Millionen Spielern. Neben dem Deutschen Jagnow sitzen weitere Vetreter aus der Slowakei, Russland, Israel und der Türkei im Vorstand. Hinzu kommen die drei Interessenverteter die ESL, die russische Esforce Holding und die PR-Agentur Burson Cohn & Wolfe.

Der europäische Dachverband soll die Interessen aller Beteiligten repräsentieren. Deklariertes Ziel der EEF ist es, sich für die europäischen Verbände und ihre Mitglieder aller Spiele-Titel einzusetzen. Somit soll von Grund auf eine verantwortliche und dauerhafte Förderung des Esports in allen beteiligten Ländern gewährleistet werden.

Vorwurfsvolle Kritik: Von Machtlosigkeit und Männern im Anzug

Trotz der Unterstützung im europäischen Raum gibt es auch einige namhafte Kritiker. Der britische Esports-Kommentator Paul „Redeye“ Chaloner begründete seine Abneigung gegenüber dem neu gegründeten Verband mit fehlenden Möglichkeiten. „Bis die Leute, die vom Sport in den Esports kommen, verstehen, dass sie nicht einfach eine Föderation aufsetzen können, ohne Hilfe und Einbindung der Publisher und Entwickler, sind sie fast machtlos.“

Jason Lake, CEO des amerikanischen Complexity Gaming, hat für das jetzige Unterfangen in Europa keine rosigen Aussichten. Für ihn müsse die EEF „schnell lernen, dass man nicht einfach in unseren Raum kommt und etwas für sich selbst vereinbart. Ihr müsst euch das verdienen und das ist nicht der Weg.“

Co-CEO der ESL fordert zum Zusammenhalt auf

Lake, der selbst enorme Summen in Esports investiert und gerne große Reden hält, bezeichnete das jetzige Auftreten der EEF aufgrund der fehlenden Inhalte und Persönlichkeiten als „Farce“.

Ins selbe Horn bläst Fnatic-CEO Sam Mathews. Der Brite schreibt auf Twitter: „Du kannst nicht in den Esports gehen mit 100 Männern in Anzügen und versuchen, Fuß zu fassen. Esports wird von Publishern, Teams und Spielern vorangebracht.“ Jason Lake forderte unterdessen eine Liste mit bekannten Esports-Verantwortlichen, die sich mit ihrem Fachwissen innerhalb des EEF engagieren.

Hans Jagnow klärte den amerikanischen Multimillionär daraufhin auf, dass auch Größen wie die ESL und ESforce ihre Arbeit in diesen Verband mit einbauen werden. ESL-Mitgründer und Co-CEO Ralf Reichert fügte hinzu, dass es bei der europäischen Esports-Bewegung vielmehr um die Arbeit an der Basis gehe, anstelle nur die Profiszene zu fördern. „Und da es eine politische Angelegenheit ist, müssen wir alle zusammenhalten“, so Reichert.

Auch deutsche Esportorganisationen wie Mousesports und Sprout stellen sich hinter Präsident Jagnow und die Arbeit. Der mouz-PR-Mann Jan Domincus schrieb in einem Thread von Lake und Redeye: “Der Präsident ist ein guter Mann. Clever und sehr umtriebig, gerade was die Basis angeht.” Auch er verstehe aber laut Tweet die Skepsis. Teams wie Sprout, BIG und Alternativ aTTaX sind aktuell auch Mitglieder im ESBD.

Persönliche Differenzen zwischen PENTA und ESBD

Innerhalb Deutschlands bebt es ebenfalls. Andreas Schaetzke, Geschäftsführer von der Traditionsorganisation PENTA Sports, kritisierte den ESBD. In einem ausführlichen Schreiben setzte er die Gründung des europäischen Verbandes mit einem „Schauspiel“ gleich.

Nach knapp zwei Jahren sehe Schaetzke keine Förderung des Esports durch den ESBD, sondern lediglich ein „Spiel der eigenen Interessen“. Für Schaetzke, der nach früheren Absagen des ESBD auf einen Beitritt seiner Organisation verzichtet hatte, würde sich Jagnow mit seinem politischen Aufstieg profilieren und der Verband nur wirtschaftliche Interessen vertreten. Diese Kritik konterte der EEF- und ESBD-Präsident selbst in seinem offiziellen Schreiben am Montag.

Jagnow entgegnet der Kritik von PENTA-Chef: „Andreas Schaetzke ist verstärkt in der Zusammenarbeit mit einem Akteur aus Schleswig-Holstein, der nach meiner Auffassung nach einen persönlichen Kreuzzug gegen den ESBD und auch meine Person führt.“ Jagnow bekräftigte, dass die Verantwortlichen des ESBD „einen breiten gesellschaftlichen Ansatz als Sportverband haben“.

Diskussion um Frauenmangel in Führungspositionen

Neben den Unklarheiten bezüglich der inhaltlichen Ausrichtung wird das Verhältnis zwischen Frauen und Männern im Vorsitz des europäischen Verbandes kritisiert. Derzeit ist nur eine Frau vertreten. „Unsere Mission ist es, diesen Umstand endlich zu ändern“, betont Hans Jagnow via Twitter.

Die Britin Frankie Ward, die vor allem für die ESL als Stage Host fungiert, kommentiert den Männerüberschuss unverblümt auf den Tweet Jagnows: „Es gibt Frauen im Esports zu sehen, selbst wenn sie keine Organisationen leiten. Es gibt keine Ausrede dafür, keine dabei zu haben.“ Und fügte mit einem weiteren Hieb hinzu: „Aber niemand scheint die Männer in dieser Gruppe überhaupt zu kennen.“

Jagnow ließ das nicht auf sich sitzen und antwortete, dass nicht alle Anwesenden, darunter auch weitere Frauen, auf dem Gruppenbild zu sehen waren, weil sie nicht zu den Delegierten gehört haben. Die einzige Frau in der Gruppe ist die Spanierin Ana “aNouC” Oliveras Daví, welche als Head of ESL National Championships arbeitet.

Fehlende Inhalte müssen kommuniziert werden

Der EEF geht auf Fehler und Versäumnissse ein. Hans Jagnow veröffentlichte am Montag in seinem Schreiben: „Zu den Fehlern der EEF-Gründung gehört ganz sicher, dass wir medial nicht in der gewohnten Professionalität vorbereitet waren.“

Die offizielle Homepage der Esports Europe Federation gibt aktuell nur wenige Informationen preis. So bleiben zahlreiche Fragen zu Werten und Zielen der EEF bisher offen. Das soll laut Jagnow in den kommenden Tagen auf der Homepage veröffentlicht werden.

Der Start der Esports Europe Federation erzeugte ein sportpolitisches Beben mit vielen Fragezeichen. Die offenen Fragen sollten nun der Öffentlichkeit beantwortet werden. „Wir werden uns jetzt darauf konzentrieren, unser Konzept und unsere Inhalte zu kommunizieren — nachdem die verbandlichen Gremien (es ist ja eine demokratische Struktur) zusammentreten und ihre ersten Richtungen festlegen“, so EEF-Präsident Jagnow.

Bildquelle: Esports Europe Federation
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