Die Odyssee des deutschen CS-Profis kRYSTAL

Kevin “kRYSTAL” Amend ist in der deutschen Counter-Strike-Szene groß geworden. Doch seit einiger Zeit sucht der talentierte Ingame-Leader sein Glück im Ausland. Was bewegte ihn zu diesem Schritt und mit wem würde er einmal gerne zusammenspielen? Im Gespräch mit esports.com gibt er ausführlich Auskunft darüber.

Kevin Amend ist ein alter Hase im Counter-Strike-Geschäft – obwohl er erst 26 Jahre alt ist. Bereits seit zehn Jahren sitzt der gebürtige Hesse unter dem Nicknamen “kRYSTAL” vor dem Monitor und traktiert gekonnt Maus und Tastatur. Zum Interview mit esports.com erscheint der CS-Profi mit dem auffällig schwarzen Wuschelkopf im Januar im grauen, regnerischen Berlin schlicht in Jeans und Hoodie gekleidet.

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Die Odyssee des hochtalentierten deutschen CS:GO-Spielers kRYSTAL führt ihn seit Mitte 2018 in internationale Gewässer. Seit November des vergangenen Jahres hat er bei der schwedischen Organisation GODSENT angeheuert.

Das Team vereint mit Spielern aus Schweden, der Slowakei, Montenegro und Finnland einen bunten Mix weiterer Nationen. Kommuniziert wird bei GODSENT auf Englisch. Dem neu formierten Lineup um Ingame-Leader (IGL) kRYSTAL gelang kurz darauf im ersten Turnier ein Paukenschlag mit dem Gewinn der WePlay! Forge of Masters in der Ukraine.

Menschliche Ebene wichtig

Im Gegensatz dazu ringen die deutschen Esport-Organisationen seit Jahren nach internationalen Erfolgen in Counter-Strike. Einzig mousesports schafft das aktuell – doch die Formation um CS-Legende Finn “karrigan” Andersen rekrutiert sich nicht aus der deutschen Szene.

Amend hatte seiner ursprünglichen Esport-Heimat bewusst den Rücken gekehrt. Mehrere Faktoren spielten dabei eine Rolle: “Ich habe mich irgendwann nicht mehr wohl gefühlt”, sagt der Esport-Profi.

Grußloser Abschied

Enttäuschende Ereignisse in deutschen Lineups spielten eine Rolle. Etwa der grußlose Abschied der drei Mitspieler Timo “Spiidi” Richter, Johannes “nex” Maget und Denis “denis” Howell von PENTA Sports zu mousesports hatte Spuren hinterlassen. Diese Ereignisse waren bereits 2015 und doch hat es den weiteren Weg des CS-Profis beeinflusst, der offenbar viel Wert auf die zwischenmenschliche Ebene legt.

kRYSTAL benennt die Hemmschuhe in Deutschland: “Manche haben Probleme damit, ihr Ego hinten anzustellen. Ich erlebe die Zusammenarbeit in der internationalen Szene anders.” Und weiter nennt der 26-jährige Hesse Unstimmigkeiten im Training: “Wenn manche tagelang beleidigt sind, weil im Spiel eine Flash-Granate falsch geworfen wurde, dann sind das für mich Kleinigkeiten, die im professionellen CS einfach unangebracht sind.“

Dreifaltigkeit von Fähigkeiten

kRYSTAL fühlt sich aus diesen Gründen in internationalen Lineups besser aufgehoben: “Dort erlebe ich einen anderen Spirit.” Das Mantra des Profis lautet: “Wir denken nicht in Problemen, sondern wir suchen Lösungen.”

Wer ein erfolgreicher CS-Spieler werden will, braucht seiner Ansicht nach ein gutes Mindset und mechanisches Spiel sowie das Antizipieren von Spiel-Situationen. Das nennt Amend schlicht: Decision-Making. Des Öfteren ringt kRYSTAL im Gespräch nach deutschen Worten . Zu lange schon spricht der IGL ausschließlich in Englisch über CS:GO.

Faszination des Spiels

Als Ingame-Leader und Kapitän seines Teams übernimmt kRYSTAL die größte Verantwortung im Team. “Ich bin die Schnittstelle zum Trainer”, sagt er. Die exponierte Position bei GODSENT regt ihn viel zum Nachdenken an, erzählt er. “Ich muss wissen, wie jeder Spieler tickt.” Es ist die Psychologie des Spiels, die den deutschen Profi fasziniert.

Nach dem Erlangen des Abiturs hatte Kevin Amend sogar überlegt, Psychologie zu studieren. Allerdings schreckten ihn die folgenden Jobs eher ab. “Therapeut wollte ich nicht werden.” Zudem war der professionelle Esport zu diesem Zeitpunkt längst zum Alltag des jungen Mannes geworden. Bereits mit 17 Jahren spielte er in Counter-Strike: Source bei Team ALTERNATE, dem heutigen ALTERNATE aTTaX. Seine Premiere war in der deutschen Königsklasse, der ESL Pro Series Summer Season 2011.

Die Passion für Counter-Strike entfachte Amends älterer Bruder. “Mit elf Jahren habe ich angefangen. Und nach vier Wochen war ich bereits besser als er. Irgendwann durfte ich dann nicht mal mehr auf den heimischen LAN-Partys mitspielen. Mein Bruder, der damals über 20 Jahre alt war, und seine Freunde fanden das nicht so witzig, von mir abgezogen zu werden“, sagt kRYSTAL.

Als Youngster arbeitete sich das Talent nach oben. In der ESL spielte er online Gather und Ladder. Es folgte der Sieg in der Landesmeisterschaft für Hessen und der Einstieg in die deutsche Profiszene. Weitere Stationen in Deutschland waren neben Team ALTERNATE die Teams Seed, PENTA Sports und schließlich Sprout.

Viel dazu gelernt hat er als Esport-Profi – sowohl auf menschlicher als auch auf spielerischer Ebene. “Schwierig als junger Mensch war für mich der Umgang mit den sozialen Medien. Früher waren mir die Kommentare wichtig, heute interessiert mich das nicht mehr”, sagt Amend.

Was der Hesse damit meint, sind die Anfeindungen in der Szene, die teils unter der Gürtellinie verlaufen. “Ich habe gelernt, nur auf das zu achten, was in meinem professionellen Umfeld passiert. Allein das zählt.” kRYSTAL weiß um die inneren Konflikte von jungen Spielern, die am Anfang ihrer Karriere stehen: “Viele haben Probleme damit, Kritik richtig einordnen zu können.”

kRYSTAL oder ich

kRYSTAL war selbst betroffen von einer solchen Situation. Als er 2018 als Ansager zum Team The Imperial wechselte, entstand sofort ein offener Konflikt mit dem 17-jährigen Nachwuchsspieler Rokas “EspiranTo” Milasauskas auf. EspiranTo passte der Stil des neuen Ingame-Leaders nicht. Das litauische Talent forderte vom Team daraufhin sogar eine Entscheidung zwischen ihm und kRYSTAL. Letztlich zog EspiranTo den Kürzeren und musste gehen.

Doch trotz einiger Schattenseiten des Profidaseins motiviert Kevin Amend das Spiel Counter-Strike stets aufs Neue: “Es gab schon Momente in der Karriere, in denen ich dachte, ich weiß schon alles. Aber dann gab es doch immer wieder neue Inspiration.“

In jungen Jahren war es das entdeckte Teamplay: “Eines der ersten Beispiele war, als mein Mate für mich geflasht hat. Oh krass, dachte ich.” Oder eben die simple Mathematik: Wenn fünf Spieler zwei Bomben-Spots decken müssen, könne der Gegner stets eine Überzahl entwickeln.

Dreamteam aus Superstars

Kevin Amend ist noch lange nicht satt vom Esport. Nach der Profikarriere kann er sich ein weiteres Engagement als Trainer vorstellen. Erste Erfahrungen sammelte der 26-Jährige im vergangenen Jahr bereits als Coach der Nachwuchsabteilung von Berlin International Gaming (BIG). Doch vorher soll die Profikarriere noch den einen oder anderen Erfolg abwerfen.

Viele Wünsche begleiten also die Zukunft von kRYSTAL. Einen fast unmöglichen hat esports.com am Ende des Gesprächs dann noch erfragt: Für welches Dreamteam würde  kRYSTAL gerne ansagen? Da wiegt der CS-Profi lange seinen Kopf hin und her. Doch am Ende stehen dann die zwei weltbesten Spieler Mathieu “ZywOo” Herbaut und Oleksandr “s1mple” Kostyliev sowie mit Andreas “Xyp9x” Højsleth und Emil “Magisk” Reif zwei Vertreter des aktuell weltbesten Teams Astralis auf der Liste.

Die neue Saison in CS:GO steht bereits vor der Tür. Für kRYSTAL bedeutet das wieder ein hohes Arbeitspensum: tägliches Trainung, Absprachen mit dem Coach und die Reisen zu Turnieren. Beim Abschied aus Berlin schieben sich die Wolken etwas vom Himmel und lassen vereinzelt Sonnenstrahlen durchschimmern. Doch für einen Blick nach oben hat Kevin Amend keine Zeit. Das Taxi wartet bereits mit laufendem Motor vor der Tür.

Foto: DreamHack – Stephanie Lindgren
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