Die ESL Meisterschaft macht Schluss – Eine viel zu große Blase platzt

Der 15. September ist für viele aus der deutschen Esport-Szene ein schwarzer Tag. Dabei passierte, was aus unternehmerischer Sicht schon lange notwendig war: “Die ESL Meisterschaft schließt Ende 2023 nach über 20 Jahren Laufzeit ihre Pforten”. Warum die Gründe dazu so klar auf der Hand liegen, warum dieser Schritt längst überfällig war und warum ein Großteil der Szene selbst Schuld ist?

Anzeige

Ein Kommentar von Danny Singer, Chef vom Dienst bei esports.com.

Ein langer, harter und am Ende zu steiniger Weg

Die ESL Meisterschaft oder Deutschlands beste Gamer oder ESL Pro Series: Die deutsche Esport-Meisterschaft hatte schon viele Namen, viele Modi, viele Spiele und viele Gesichter. Veränderungen gab es also reichlich.

Schon 2004 wurden im Rahmen der Intel Friday Night Games (kurz IFNG) Offline-Spiele der ESL Pro Series in Counter-Strike 1.6 ausgetragen, aber auch WarCraft III war mit Thagor gegen TaKe (Ja, wirklich dieser TaKe aka. Dennis Gehlen) vertreten. Der Esport wurde immer größer, füllte kleine Hallen und es würde nur noch ein paar Jahre dauern, bis er endlich im Mainstream angekommen ist, sollte man meinen. Knapp 20 Jahre später schreiben wir den Abgesang des ESL Meisterschaft und damit auch einer großen Basis des deutschen Esports.

Im Laufe der Zeit sah man im Rahmen der deutschen Meisterschaft viele Spiele kommen und gehen. FIFA, in der heutigen Zeit ein großer Reichweitentreiber zumindest mit den passenden Influencern, ist seit 2019 kein Bestandteil mehr der ESL Meisterschaft. Die Turniere übernimmt der Spiele-Publisher EA Sports seitdem selbst. Ähnliches gilt für League of Legends. Der größte Esport Deutschlands ist seit 2020 ebenfalls nicht mehr in der ESL Meisterschaft vertreten. Auch hier macht Riot Games mit der Prime League sein eigenes Ding.

Das einzige wirklich große Spiel, das der ESL Meisterschaft erhalten blieb ist Counter-Strike. Das reicht nicht! Die Reichweiten-Zahlen sprechen da eine deutliche Sprache. Klar, dass sich die saudi-arabische Savvy Games Group aus unternehmerischer Sicht gegen eine Verlängerung der ESL Meisterschaft entschieden hat. Immerhin muss man die eine Millarde US-Dollar, die man für die ESL ausgegeben hat, wieder reinholen. Aber warum ist der deutsche Esport ein solches Minus-Geschäft?

Investitionen blähen den Markt auf

“Der Esport ist doch voll mit Geld, da wird man sein Hobby sicherlich gut zum Beruf machen können.” Das werden sich in den vergangen 10 Jahren einige gedacht haben, so auch ich. 2016 habe ich als freiwilliger Redakteur bei 99Damage.de angefangen, natürlich auf der ESL Meisterschaft.

Kurze Zeit später eine Festanstellung bei Freaks 4U Gaming bekommen. Damals wusste ich nichts über Kennzahlen wie Tausenderkontaktpreis, CPC und Co. Ich wollte als Redakteur schnell nach oben und Geld verdienen. Geld verdienen kann man aber nur in einer Branche in der es auch Geld zu verdienen gibt.

Über Jahrzehnte hinweg wurde die deutsche Esports-Szene über massive Sponsorings und Investments großer Firmen nicht nur unterstützt, sondern am Leben gehalten. Wir haben ja oben von einem INTEL Friday Night Game gesprochen. Aber auch Mc Donalds, Mercedes, BMW, Amazon und Co. haben massiv den Zukunftsmarkt Esport gesehen.

So eine Investitionsphase ist in jedem entstehenden Markt vollkommen normal. Doch irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man sein Geld auch mal wiedersehen will. Besonders wenn es nebenbei noch so eine kleine Pandemie Namens Corona gibt. Sein Geld bekommt man aber nur dann wieder, wenn der Markt in der Zwischenzeit so stark gewachsen ist, dass er auch ohne weiter Investments rentabel ist.

2020 wurden die Werbebudgets der großen Firmen massiv gecuttet. Investitionen blieben aus. Der Esport musste also alleine überleben. Er wurde aus dem Nest gestoßen und sollte eigenständig fliegen. Das große Problem: Der Esport in Deutschland erzielt lange nicht die Reichweite, die er braucht, um ohne große “Investitionen in die Zukunft” zu überleben und Reichweite ist nun mal die wichtigste Währung in der Unterhaltungs-Branche. Nur durch Reichweite lässt sich auf natürliche und gesunde Weise Geld im Esport verdienen.

Wenn man den Kopf in den Wolken hat

Nun war das Geld weg. Leider hat sich die Szene nun an einen Standard gewöhnt, so auch ich. Ich konnte meine Rechnungen vom Esport bezahlen. Spieler, Manager, Admins, Caster, Hosts, IT und viele mehr: Am Esport hängen mittlerweile so viele Jobs, aber so viel Geld ist gar nicht da. Alle wollen den Esport immer größer. Man stellt immer mehr Forderungen nach Verbesserungen. Dabei wird häufig vergessen, dass alles auch irgendwie wieder refinanziert werden muss. Wo soll das Geld herkommen, wenn das Finale der ESL Meisterschaft nur 1600 Zuschauer sehen. Hier wird auch gerne die Politik ins Spiel gebracht. Man schaut zu den Nachbarn nach Frankreich oder Dänemark, wo der Esport im Mainstream gefeiert wird, aber die fehlende Unterstützung als einzigen Grund aufzuführen wäre falsch.

Am Ende muss der Großteil der deutschen Esport-Szene verstehen, dass ein Hobby nur zum Beruf werden kann, wenn es in der Branche genug Geld zu verdienen gibt, ansonsten ist es einfach nur ein Hobby. Es ist also klar, dass Ligen immer schlechter produziert werden oder dass Teams ihre Spieler nicht auf Vollzeitbasis einstellen können.

Man wünscht sich eine Qualität wie beim traditionellen Sport, die Einnahmen sind aber meilenweit auseinander. Kurzer Vergleich: Das deutsche Finale in CS:GO sahen 2022 wie oben gesagt 1600 Zuschauer gleichzeitig. Den Bundesligastart zwischen Bayern München und Werder Bremen in dieser Saison sahen zeitgleich im Schnitt 5,35 Millionen. Das ist ein Faktor von rund 3500.

Wenn man sich dann Offline-Finals in einer geilen Arena wünscht an der 50-100 Leute mitarbeiten, Technik im hohen fünfstelligen Bereich gestellt und aufgebaut werden muss und am Ende Produktionskosten von mehreren Hunderttausend entstehen, muss man sich auch überlegen, wo das Geld wieder reinkommen soll.

Erst wenn man den Esport-Markt international betrachtet kommen wir in Regionen, in denen sich die Skalierbarkeit auszahlt. Laut eSports Charts sahen das Finale der League of Legends Worlds weltweit 5,1 Mio Menschen gleichzeitig, aber auch nicht im Schnitt sondern das ist der Maximalwert. Das ist trotzdem noch weniger als der Bundesliga-Autakt der Bayern nur in Deutschland. Die Esports-Szene muss einfach dringend wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen.

Wir sind eben nicht der Fußball. Wir sind nicht im großen Mainstream. Wir sind eher so Darts. Die Weltmeisterschaften sind riesig, aber die nationale Szene ist größtenteils unbekannt.

Wenn eine Tür sich schließt, öffnet … na ihr wisst schon

Der deutsche Esport muss aber noch lange nicht tot sein. Mit dem Ende der ESL Meisterschaft bieten sich so viele neue Wege, aber die Szene muss sich ehrlich machen und versuchen, sich mit Blut, Schweiß und Tränen sowie ohne Gier nach Geld selbst aus dem Dreck zu ziehen.

Es gilt jetzt Vermarktungspotenziale zu schaffen und eingenommenes Geld direkt wieder in den Wachstum zu stecken. Die Medienpräsenz muss gesteigert werden. Eines der ersten Schlagworte, die mir in meiner Karriere beigebracht worden sind, ist “Protagonistenbildung”, Beispiel Eintracht Spandau. Nur wenn man Teams oder Personen feiert, schaut man sich die Spiele an. Wir brauchen wieder Stories wie ALTERNATE aTTaX gegen mousesports in CS 1.6. Dabei müssen wir aber endlich wieder kleiner denken und verstehen, dass eine künstlich aufgeblähte Blase der Szene nicht weiterhilft.

Wir brauchen wieder ehrenamtliche Mitarbeiter, egal ob in Organisationen oder in der Berichterstattung. Wenn man für den Cast eines Division 3 Spiels Geld haben will und am Ende 50 Leute zuschauen, funktioniert das nicht. Dasselbe gilt auch für Spieler: Wenn ich durch meine Leistungen nicht genug Geld für meine Organisation einbringe, kann ich auch nicht verlangen, dass ich meine Brötchen mit Esport bezahlen kann. Dann bleibt mein Hobby eben nur ein Hobby.

Wenn die Szene versteht, wie Reichweite und Geld zusammenhängen und alle an einem Strang ziehen, kann der deutsche Esport auf natürliche Art wachsen, ganz ohne platzende Blase.

 

*Die hier aufgeführten Angebote sind mit sogenannten Affiliate-Links versehen. Mit einem Kauf über einen dieser Links unterstützt ihr uns, da esports.com ohne Auswirkung auf die Höhe des Preises vom Anbieter eine kleine Provision erhält.