Der El Clásico in CS: mouz gegen aTTaX

Es gibt Matchups, die einen ganz besonderen Platz in der Sportgeschichte einnehmen. Millionen schauen fasziniert zu, wenn Bayern gegen Dortmund, Inter gegen Milan oder Barcelona gegen Real Madrid spielt. Es ist lange her, aber einst hatte auch deutsches Counter-Strike seinen eigenen El Clásico.

Vor 15 Jahren steckte deutsches Counter-Strike noch in den Kinderschuhen. Die ESL Pro Series, der Vorläufer der heutigen ESL Meisterschaft, feierte gerade mal ihren vierten Geburtstag und es wurde noch mit Büromäusen und auf tonnenschweren Röhrenbildschirmen um den nationalen Titel gekämpft. Trotzdem hatte es ein Team bereits geschafft, sich als Platzhirsch in Deutschland zu etablieren: mousesports.

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Mit ihren legendären Lineups rund um Jonas “Johnny R.” Bollack, Michael “neo” Mitrega, Roman “Roman R.” Reinhardt, Christian “Blizzard” Chmiel und Franz “gore” Burghardt konnten die Mäuse vier der ersten sieben EPS-Seasons nach Berlin holen.

mousesports im Jahr 2004 bei den EPS Finals der fünften Saison. Quelle: ESL

Blizzard erinnert sich auch heute noch gut an die Dominanz des Teams: „Das Lineup war quasi ein Superteam, in dem die Spieler der beiden besten Teams in Deutschland fusioniert wurden.”

Ein klarer Faktor war ausschlaggebend für den Erfolg. “Bei mousesports war dann auch alles schon professioneller, was die Trainingsstrukturen und das Equipment anging”, erklärt Blizzard und fügt hinzu, “Das hat uns einen zusätzlichen Vorteil verschafft. Wir hatten das Gefühl, dass keiner wirklich an uns rankommt und wir uns eigentlich nur selber schlagen können, wenn wir Fehler machen oder uns gegenseitig abfucken.”

Frühe Superstars

Dank ihrer zahlreichen Erfolge und durch vielbeachteter Fragmovies wie “Neo – The One” wurde das Team mit Abstand das populärste in Deutschland: Gefühlt jeder zweite Spieler, der auf deutschen Public-Servern anzutreffen war, trug den Clan-Tag

mousesports.Levicom.BenQ hinter seinem Namen, um seinen Idolen zu huldigen.

 

Laut Blizzard hat sich die Popularität selbst abseits des Servers bemerkbar gemacht: „Vor uns gab es kein deutsches Team, das kontinuierlich an der Weltspitze mithalten konnte. Wir waren über einen langen Zeitraum kontinuierlich in den Top 3. Also eigentlich immer Dritter (lacht). Das hat uns eine große Popularität und viele Fans verschafft.

„Man wurde sogar ab und an im Club angesprochen. Ich weiß gar nicht, ob es da schon Selfies gab, aber ich wurde auf jeden Fall öfter auf ein Bier eingeladen. Das war eine völlig neue Erfahrung, aber eben auch die Belohnung für die ganze Arbeit, die wir in CS gesteckt haben. Da waren wir schon ein bisschen stolz drauf.“

Wie Phönix aus der Asche“

Längst verblasste Namen wie Ocrana, MTW und a-Losers versuchten, die Mäuse in Deutschland vom Thron zu stoßen – meist nur mit kurzzeitigem Erfolg. Doch in der achten Season der ESL Pro Series etablierte sich ein Team, das auf Jahre der Rivale des FC Bayern München des deutschen Counter-Strike werden sollte und bis heute Relevanz behalten hat: Alternate aTTaX.

Zum ersten Mal stieß Blizzard damit auf einen ebenbürtigen Gegner: „Wir waren immer das Team, das es zu schlagen galt. Und dann kam auf einmal, wie Phönix aus der Asche, Alternate aTTaX und sie wurden unser erster ernstzunehmender Konkurrent über einen längeren Zeitraum.“

Vorhang auf für die beste Rivalität, die das deutsche CS je gesehen hat.

Der Herausforderer

Das Squad wurde 2003 im hessischen Linden als erstes deutsches Werksteam des Hardwareversands ALTERNATE gegründet. In den Anfangsjahren dümpelte es in der EPS meist im Mittelfeld herum. Zum Beginn der achten Saison der ESL Pro Series stellte sich das Team Rund um Ansager-Urgestein Jan “mooN” Stolle neu auf. Mit David “CHEF-KOCH” Nagel, Navid “Kapio” Javadi, Manuel “Tixo” Makohl und Tim “silver” Hochgrebe besiegte ALTERNATE den deutschen CS-Hegemonen und errang seinen ersten EPS-Titel.

Die Kommentatoren-Legende Matthias “Knochen“ Remmert war live dabei: „Die Art und Weise wie aTTaX die Dominanz von mouz gebrochen hat war damals schon spektakulär. Es war klar, dass aTTaX gekommen war, um zu bleiben.“

Caster-Legende Knochen ist schon seit Jahr und Tag fester Bestandteil der deutschen CS-Szene.
Wenn du sie nicht schlagen kannst, verbünde dich mit ihnen

mousesports reagierte sofort auf die Bedrohung und machte seinem FC-Bayern-München-Image alle Ehre, indem es kurzerhand mit Kapio, Tixo und silver die drei Spieler verpflichtete, die mit aTTaX ihren Durchbruch hatten.

Roman R., der sowohl im Dress von mouz als auch von aTTaX auflief, erinnert sich, wie die Wechsel zwischen beiden Teams die Rivalität beeinflussten: „mousesports hatte immer den Anspruch weiterhin das beste deutsche Team zu sein und haben die Spieler, die sie haben wollten, meist auch bekommen.

„Wenn einem ständig die Spieler abgeworben werden, ist man irgendwann nicht mehr so gut auf denjenigen zu sprechen, der einem die Spieler abwirbt. Das hat die Rivalität zwischen den Organisationen im Hintergrund schon geschürt.“

aTTaX füllte seine Reihen mit Benjamin “paN” von Mulert, Manuel “approx” Zeitz und dem jungen Supertalent Roman “roman” Ausserdorfer auf – der einzige deutsche Spieler, der es je in die HLTV Top 20 geschafft hat.

Identifikationsfiguren

Natürlich konnten auch andere Teams eine Fanbase ihr eigen nennen, wie zum Beispiel die beiden Lokalmatadoren n!faculty in Köln oder Team Bavarian Heaven in München. Aber für die meisten deutschen CS-Fans gab es nur eine Entscheidung: mouz oder aTTaX.

Die beiden Teams und ihre Rivalität boten reichlich Identifikationsfläche. Das lag vor allem auch an den Charakteren: Spieler wie CHEF-KOCH auf der einen und Kapio auf der anderen Seite waren echte Originale und hatten keine Hemmungen, ihre Feinde anzustacheln und lautstark ihre Meinung zu äußern.

Roman R.: “Im Wettkampf war das immer brisant und da hat man sich auch mal das ein oder andere Wort zugeworfen. Im Spiel kommen halt Emotionen hoch. Aber nach dem Spiel war das dann auch wieder gegessen und wir haben uns alle verstanden. Am Ende war auch immer ein bisschen Show dabei.”

Den Zuschauern gefiel diese Show natürlich und sie verlieh den direkten Duellen der beiden Teams das gewisse Extra. Zumal die Fans die beiden Teams neben den Finals ebenfalls auf den Intel Friday Night Games erleben konnten, die auch als reguläre Saisonspiele damals vor Publikum ausgetragen wurden. mouz vs aTTaX wurde zum Klassiker.

Das Ansager-Duell

Als Fatih “gob b” Dayik dann zu mousesports stieß, wurde es auch eine Rivalität der Ansager. Die beiden Taktikgenies gob und mooN versuchten sich immer wieder gegenseitig auszuspielen. Mit sogenannten Anti-Strats versuchten sie sich genau auf die Tendenzen des Gegners einzustellen und dem Gegenüber immer einen Schritt voraus zu sein.

Knochen: „Mit mooN und gob waren da zwei absolute Masterminds auf beiden Seiten, die sich nach einer gewissen Zeit auch in- und auswendig kannten. Neben den Skills auf dem Server kam es auch immer darauf an, wer sich besser auf den anderen vorbereitet hatte.“

Die direkten Duelle waren ebenso spektakulär wie zahlreich. Neben unzähligen Liga-Spielen und Intel Friday Night Games vor Publikum standen sich die beiden Teams in sieben EPS-Finalspielen gegenüber. mousesports ging viermal als Sieger hervor und hatte damit knapp die Nase vorn.

Selbst international standen sich die beiden Teams auf der großen Bühne gegenüber. Auf den Intel Exteme Masters Season 2 trafen sich beide Teams erst im Halbfinale, dann nochmal im Finale des Lower Brackets. Auch hier hatte mousesports die Nase vorn und konnte das Turnier am Ende gegen die Koreaner von e-STRO für sich entscheiden.

Es gibt Hoffnung

Geblieben ist nur die Erinnerung. Denn mittlerweile hat das Duell mouz gegen aTTaX keine Relevanz mehr. Wenn man es genau nimmt, findet es auch gar nicht mehr statt: Während aTTaX immer noch Saison für Saison um die deutsche Meisterschaft kämpft, hat mousesports seine deutschen Wurzeln hinter sich gelassen und spielt mit einem internationalen Lineup um die Weltspitze mit.

Doch es gibt Hoffnung: BIG, das mittlerweile mousesports als deutscher Platzhirsch den Rang abgelaufen hat, spielt ab der nächsten Saison wieder in der ESL Meisterschaft. Die Rolle des Verfolgers fällt auf Sprout.

Die Parallelen sind definitiv da: Auf internationaler Ebene hat das Duell der beiden Teams bereits große Begeisterung ausgelöst und beide Teams sind in der Lage, das andere zu schlagen. BIG hat in der Vergangenheit wiederholt Spieler von Sprout abgeworben und füllt somit die Fußstapfen von mousesports.

Sprout selbst ist, ähnlich wie aTTaX, das Werksteam eines großen Hardwareversands, das endlich die Nummer 1 in Deutschland werden möchte. Und nicht zuletzt hat auch aTTaX selbst immer gute Chancen auf den Titel und kann aus dem Duell einen Dreikampf machen.

Nun spielen die drei besten deutschen Teams zum ersten Mal in ein und derselben nationalen Liga und werden regelmäßig aufeinandertreffen. Statt also nur in Erinnerungen zu schwelgen, die schwerer wiegen als die Röhrenmonitore, auf denen sie entstanden sind, schauen wir lieber auch nach vorne: In eine Zeit, in der deutsches Counter-Strike vielleicht endlich wieder sein verdienten El Clásico bekommt.
Bildquelle: ESL
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