Aufregung um Seehofer-Vorschlag: Gaming-Szene unter Beobachtung?

Bundesinnenminister Horst Seehofer will nach dem Anschlag in Halle die Gaming-Szene stärker beobachten lassen. Zahlreiche Debatten folgen im Internet. Einen Tag später rudert das Ministerium zurück.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat am Sonntag auf Twitter seine Aussagen gegenüber der Gamer-Szene relativiert. Als Reaktion auf den Anschlag in Halle am vergangenen Mittwoch, bei dem zwei Menschen getötet worden waren, hatte Seehofer am Sonnabend im vorab veröffentlichten Interview mit dem ARD-Politikmagazin “Bericht aus Berlin” eine Beobachtung der Gamer-Szene zur Sprache gebracht. Anschließend folgte eine Debatte im Internet, die dem CSU-Politiker sowohl Kritik als auch Zustimmung einbrachte.

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Die Korrektur folgte bereits am Sonntag: In einem folgenden Tweet des Bundesinnenministeriums richtet sich der  Begriff “Beobachtung” explizit auf den Rechtsextremismus. In der Mitteilung heißt es, dass “Rechtsextremismus das Internet und auch Gaming-Plattformen für ihre rechtswidrigen Inhalte missbrauchen. Ob analog oder digital: Wir wollen Rechtsextremisten überall dort bekämpfen, wo sie aktiv sind.”

Kulturrat kritisiert “Generalverdacht”

Damit reagiert Horst Seehofer offenbar auf die Kritik der vergangenen Tage. Denn zuvor hatte der Bundesinnenminister formuliert, die gesamte Gamer-Szene beobachten wollen zu lassen. Im Interview hatte Seehofer gesagt, dass viele von den Tätern oder potenzielle Täter aus der Gamer-Szene kämen. “Und deshalb müssen wir die Gamer-Szene stärker in den Blick nehmen”, sagte der Bundesinnenminister.

Der Vorschlag Seehofers stieß eine anhaltende, öffentliche Diskussion an. Kritik kam vom deutschen Kulturrat, der darin einen “Generalverdacht gegenüber Computerspielern” erkannte. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil veröffentlichte in einem Tweet, “dass es weder um Einzeltäter noch um Gamer geht. Es geht um Nazis.” Auch FDP-Chef Christian Lindner hält wenig von Seehofers Vorhaben. “Mir fallen so viele Maßnahmen ein, die ergriffen werden sollten, um gegen Rechtsextremismus vorzugehen – Die “Gamerszene” unter Generalverdacht zu stellen, ist keine davon”, schrieb Lindner auf Twitter.

Die Gamer- und Internet-Community hatte über Seehofers Vorhaben zahlreich diskutiert. Der YouTuber Rezo, der die CDU im vergangenen Mai kritisierte, reagierte kurz nach der Veröffentlichung von Seehofers Interview deutlich: “Wie kann man seinen Job immer und immer wieder so sehr verkacken? Er und seine Crew sind echt so krass inkompetent.” Eher satirisch ging Gronkh die Diskussion an. Er wolle sich “wieder ganz rechtsextrem an den Rechner” setzen, verkündete der Streamer in einem Tweet.

“Nicht die Augen verschließen”

Andere Twitter-Stimmen in der Debatte kamen von der bayerischen Grünen-Abgeordnetin Katharina Schulze. Die Politikerin stellte Gamer nicht pauschal an den Pranger. Sie forderte aber, man solle vor “Radikalisierungstendenzen & Frauenverachtung in speziellen Räumen der #Gamerszene nicht die Augen verschließen.” Ähnlich argumentierte die Autorin Sophie Passmann: “Alle, die so tun, als gäbe es im Gaming-Bereich kein vermehrtes Problem mit Rassismus, Rechtsradikalismus und vor allem Frauenfeindlichkeit, sollen mal fröhlich in Gaming-Subreddits oder bei Steam rumschauen.

Sowohl Katharina Schulze als auch Sophie Passmann spielen damit unter anderem auf das sogenannte “#Gamergate” an. Der Vorfall sorgte 2014 für Schlagzeilen, als die Amerikanerin Anita Sarkeesian Videospiele aus feministischer Sicht analysierte. Daraus folgte eine anhaltende Debatte um Themen wie Sexismus und Fortschrittsdenken in der Videospielkultur. Sarkeesian erhielt daraufhin sogar Morddrohungen.

Junge Union will Gaming fördern

Bereits am Sonntag machte sich indes die Junge Union für Gaming stark. Auf dem Deutschlandtag in Saarbrücken verabschiedete die Nachwuchs-Organisation der CDU einen Antrag, der sich für die Förderung Gamesförderung auf Bundesebene einsetzt. Dass die Junge Union damit nicht auf einer Linie mit Horst Seehofer steht, machte sie unmissverständlich zum Eingang ihres Tweets mit “Gamer fördern statt verfolgen” deutlich.

(Screenshot/Foto: ARD/Henning Schacht/BMI)

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